Myokarditis nach Corona-Impfung Wie gefährlich ist Moderna für Jüngere?
07.10.2021, 17:41 Uhr
In Schweden und Finnland wird Moderna vorerst nur an über 30-Jährige verimpft.
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Herzmuskelentzündungen nach einer mRNA-Impfung sind zwar äußerst selten, kommen aber vor allem bei jungen Menschen vor. Eine skandinavische Studie will nun herausgefunden haben, dass das Risiko beim Moderna-Vakzin höher ist als bei Biontech. Mehrere Länder ziehen daraufhin Konsequenzen. Was sagen die deutschen Zahlen?
Die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna gelten als Premium-Vakzine im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Das liegt vor allem an der guten Verträglichkeit und der hohen Wirksamkeit. Doch bereits Ende April fällt in Israel erstmals auf, dass nach einer Corona-Impfung mit Biontech bei einigen Geimpften Herzmuskelentzündungen auftreten. Betroffen sind vor allem junge Männer zwischen 16 und 30 Jahren. Untersuchungen in den USA bestätigen im August die Berichte und stellen zudem fest: Moderna-Impfungen stehen ebenfalls im Zusammenhang mit einer Myokarditis.
Auch wenn beide Studien bestätigen, dass das Risiko, nach einer mRNA-Impfung eine Herzmuskelentzündung zu entwickeln, äußerst gering ist, wollen Schweden, Finnland und Dänemark nun auf Nummer sicher gehen - und schränken den Einsatz des Vakzins von Moderna ein. In Schweden und Finnland soll das Vakzin des US-Herstellers vorerst keinem Menschen unter 30 Jahren mehr verabreicht werden, in Dänemark niemandem unter 18.
Warum schränken Schweden, Finnland und Dänemark nur den Einsatz von Moderna ein?
Alle drei Länder betonten, dass es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt. Neuste Daten deuteten auf eine Zunahme von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach der Impfung hin, erklärte die schwedische Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten. "Der Zusammenhang ist besonders deutlich, wenn es sich um den Impfstoff Spikevax von Moderna handelt, vor allem nach der zweiten Dosis."
Grundlage sei eine skandinavische Studie, die in den nächsten Wochen veröffentlicht werden soll, teilte die finnische Regierung mit. Ende vergangener Woche hatte bereits die Gesundheitsbehörde in Kanada nach einer Datenanalyse erklärt, dass Impfungen mit Moderna zu mehr Fällen von Herzentzündungen führten als die mit Biontech. Diese kämen häufiger bei Jugendlichen und Erwachsenen unter 30 Jahren und häufiger bei Männern vor. Die Mehrheit der Betroffenen erkrankte allerdings nur relativ leicht und erholte sich zudem schnell, heißt es von der Behörde.
Für Schweden und Finnland ist das dennoch Grund genug, die Impfungen mit Moderna für alle unter 30-Jährigen auszusetzen. Die betroffene Altersgruppe soll stattdessen den Impfstoff von Biontech/Pfizer erhalten - auch als Zweitimpfung, empfahlen die Gesundheitsbehörden der Länder. Dänemark geht einen weniger drastischen Schritt und stoppt Moderna-Impfungen vorerst nur für Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren. Man komme weiterhin zu der Einschätzung, dass auch das Moderna-Präparat ein besonders effektiver Impfstoff sei, der einen wichtigen Platz in der Impfkampagne des Landes einnehme, betonte die dänische Regierung.
Was sagen die Daten aus Deutschland?
Auch in Deutschland sind Fälle einer Myokarditis nach mRNA-Impfungen bekannt. Und auch hier ist auffällig: Betroffen sind "offenbar insbesondere junge Männer nach der zweiten Impfung", schreibt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in seinem jüngsten Sicherheitsbericht. Betrachtet man allerdings die aktuellen Zahlen, zeigt sich nur ein minimaler Unterschied zwischen Biontech und Moderna: Im Schnitt wurden nach 100.000 Moderna-Impfungen 4,60 Fälle einer Herzmuskelentzündung in der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahre gemeldet, bei Biontech waren es 4,28. In allen höheren Altersgruppen bewegt sich die Melderate zwischen 1,74 und 0,12.
Wie hoch ist das Risiko einer Myokarditis nach einer Impfung mit Biontech?
Eine aktuelle israelische Studie hat das Risiko einer Myokarditis bei Personen, die mit Biontech geimpft worden waren, gegenüber dem Risiko ungeimpfter Personen untersucht. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler stellten ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko bei den geimpften Personen fest. Im Schnitt gab es in der Gruppe der mit Biontech Geimpften 2,7 zusätzliche Fälle einer Myokarditis pro 100.000 Personen. Allerdings wertete die Studie nicht nach Alter und Geschlecht der Betroffenen aus.
Ist es sicherer auf eine Impfung zu verzichten?
Nein. Denn eine Sars-CoV-2-Infektion birgt ein deutlich höheres Myokarditis-Risiko als eine Corona-Impfung. Laut Analysen von US-Forschern haben infizierte Personen ein 15-fach höheres Risiko, an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken als gesunde Menschen. Zudem sind je nach Altersklasse schwerwiegende Folgen wie Herzrhythmusstörungen, Venenthrombosen oder Lungenembolien deutlich wahrscheinlicher.
Was ist eine Myokarditis?
Bei einer Myokarditis entzünden sich Zellen im Muskelgewebe des Herzens. Ursache ist oft eine Infektion mit Bakterien oder Viren. Besonders häufig tritt sie nach einer verschleppten Grippe auf. Zwar heilt die Erkrankung in der Regel wieder ab, doch bei einigen Betroffenen kann es zu Langzeitschäden wie einer bleibenden Herzschwäche kommen. In seltenen Fällen kann eine Myokarditis auch eine nicht infektiöse Ursache haben, heißt es bei der Deutschen Herzstiftung. Eine mögliche Erklärung dafür könnten Autoimmunerkrankungen sein.
Warum sind eher junge Menschen betroffen?
Warum es nach einer Impfung bei jüngeren Menschen zu Störungen der Herzfunktion kommen kann, ist nach wie vor unklar. Das Problem betrifft offenbar nicht nur mRNA- und andere Corona-Impfstoffe. Eine frühere Analyse des "Vaccine Adverse Event Reporting System" der FDA im "International Journal of Cardiology" hatte gezeigt, dass die Komplikation auch nach Impfungen gegen humane Papillomviren, Influenza, Meningokokken, Typhus, die japanische Enzephalitis und Milzbrand gemeldet wurde. Besonders häufig war sie nach einer Pockenimpfung mit einer Rate von 71,88 Fällen auf 100.000 Impfungen. Auch hier waren eher jüngere Menschen betroffen, wenn auch nicht so auffällig häufig wie bei den Corona-Impfstoffen.
Quelle: ntv.de