
Schnelltests können das Coronavirus innerhalb von 15 Minuten nachweisen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Sie sind die große Hoffnung in der Pandemie: Corona-Schnelltests. Vor allem Risikopatienten sollen mit dieser Methode geschützt werden. Doch wie sicher sind die Tests? Denn zurzeit drängen immer mehr Hersteller auf den Markt. Unabhängige Kontrollen gibt es kaum.
"Testen, testen, testen" lautet das Credo im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Doch die bislang bewährten PCR-Tests sind zeitaufwändig, nach einem Rachenabstrich kommt die Probe ins Labor. Dann vergehen mehrere Tage, bis ein Ergebnis vorliegt. Mit Antigen-Schnelltests lässt sich diese umständliche Prozedur abkürzen. Sie gelten als Werkzeug, das uns auch ohne Impfstoff möglichst viel Normalität zurückgeben könnte, weil sie schnelle Gewissheit bei der wichtigen Frage versprechen: Bin ich positiv oder negativ?
Seit Oktober sind die Antigen-Schnelltests sogar Teil der Nationalen Teststrategie. Denn gerade in Pflegeheimen, bei Flugreisen oder Großveranstaltungen wie Fußballspielen könnten sie innerhalb von 15 Minuten Sicherheit bringen. Vorausgesetzt, sie funktionieren.
Wie beim herkömmlichen Labortest wird auch beim Corona-Schnelltest ein Rachenabstrich genommen. Der wird in eine Nährlösung getränkt, dann wird diese auf einen Teststreifen gegeben. Während beim Labortest die Infektion über das Erbgut des Virus festgestellt wird, untersucht der Antigentest die Probe auf bestimmte Proteine. Sind diese vorhanden, zeigt der Teststreifen nach wenigen Minuten das Ergebnis an - ähnlich wie ein Schwangerschaftstest.
Die Hersteller versprechen dabei eine hohe Sensitivität, also eine hohe Nachweisbarkeit im Falle einer Infektion. Aber noch kommt es immer wieder zu Pannen. Beispielsweise informierte Tesla-Chef Elon Musk die Welt nach seinem Besuch in Brandenburg auf Twitter: "Zwei Tests kamen positiv zurück, zwei Tests negativ." Und auch Moderator Jan Böhmermann berichtete in seinem Podcast von widersprüchlichen Testergebnissen unter seinen Mitarbeitern. Wie zuverlässig sind Schnelltests also wirklich?
Im Angebot: Kuscheltiere und Corona-Schnelltests
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) listet inzwischen mehr als 200 Schnelltests auf seiner Website. Allerdings sind neben Herstellern und Vertreibern mit langjähriger Erfahrung im medizinischen Bereich auch viele neue und sogar fachfremde aufgeführt. So produziert ein Unternehmen eigentlich Arbeitskleidung für verschiedene Branchen. Ein anderes war vor der Corona-Krise mit Tankwagen- und Containerreinigungen beschäftigt, ein weiteres vertreibt eigentlich Kuscheltiere - und jetzt eben auch Schnelltests.
Was auf den ersten Blick wie eine Liste behördlich geprüfter und offiziell genehmigter Schnelltests wirkt, ist in der Realität eher eine "Marktübersicht", wie es in der Corona-Testverordnung heißt. Um auf die Liste zu kommen, müssen Hersteller beziehungsweise Importeure nur einen kurzen Fragebogen ausfüllen, den das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) erstellt hat. Es handelt sich dabei um Angaben zu Mindeststandards, die das Produkt etwa zur Sensitivität oder Spezifität erfüllen muss. Das BfArM gleicht die Herstellerangaben lediglich mit diesen Mindestkriterien ab. Werden sie auf dem Papier erfüllt, wird das Produkt gelistet.
Somit werden Schnelltests von keiner unabhängigen Stelle geprüft, bevor sie auf den Markt kommen. Dafür sei keine Zeit, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn vergangene Woche in der Bundespressekonferenz. "Um es zügig zu machen, mussten wir uns erst mal auf Herstellerangaben verlassen."
Das Verfahren beruht laut Ministerium auf den derzeit geltenden europäischen und nationalen Regeln zum Inverkehrbringen von In-vitro-Diagnostika, zu denen die Antigentests gehören. Anders als Arzneimittel unterlägen Medizinprodukte prinzipiell keiner behördlichen Kontrolle, erklärt ein BfArM-Sprecher auf Nachfrage von ntv.de.
Kritik am Umgang mit Antigentests
Doch gerade im Kontext der Corona-Krise sieht Timo Ulrichs darin eine Gefahr. "Wenn immer mehr Anbieter auf den Markt drängen, ist das mit äußerster Vorsicht zu genießen", sagt der Epidemiologe im Gespräch mit ntv.de. Das sei zum Teil unseriös. Eine so lockere Handhabung bei der Prüfung könne schwerwiegende Konsequenzen haben. "Die Leute verlassen sich auf das Ergebnis. Wenn dann die Schnelltests keine ausreichende Sensitivität oder Spezifität haben, ist das unserer jetzigen Lage absolut nicht dienlich." Im schlimmsten Fall würden sie unbewusst andere Menschen infizieren, kritisiert der Experte die laschen Standards.
Auch die Opposition im Bundestag äußerte bereits Kritik am Umgang mit den Schnelltests. Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken, sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Bundesregierung habe es verschlafen, Antigen-Schnelltests wissenschaftlich fundiert zu überprüfen. Er schlägt vor, die Hersteller zu verpflichten, spätestens drei Monate nach Zulassung aussagefähige Studien zu deren Wirksamkeit und Sicherheit nachzureichen.
Inzwischen wurden immerhin sieben Antigentests, die auf dem Markt verfügbar sind, von einem Forscherteam um den Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité auf ihre Zuverlässigkeit untersucht. Dabei überprüften die Wissenschaftler unter anderem die Spezifität der Tests - also deren Anfälligkeit für falsch-positive Ergebnisse. Sechs Tests schnitten gut ab, einer etwas schlechter:
- Coris Bioconcept Covid-19 Ag Respi-Strip: 100 Prozent
- RapiGEN Biocredet Covid-19 Ag: 100 Prozent
- Abbott Panbio Covid-19 Ag Rapid Test: 99,26 Prozent
- Nal von Minden Nadal Covid-19 Ag Test: 99,26 Prozent
- Roche/SD Biosensor Sars-CoV-2 Rapid Antigen Test: 98,53 Prozent
- R-Biopharm Rida Quick Sars-CoV-2 Antigen: 94,85 Prozent
- Healgen Coronavirus Ag Rapid Test Cassette: 88,24 Prozent
Drosten und sein Team sehen im Einsatz von Schnelltests großes Potenzial. "Die unmittelbare Verfügbarkeit von Testergebnissen könnte neuartige Gesundheitskonzepte ermöglichen", heißt es in der Studie. Auch Epidemiologe Ulrichs erkennt klare Vorteile der Antigentests - sofern sie wissenschaftlich geprüft worden sind. "Wenn zum Beispiel ein Patient mit unklaren Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert wird, kann man ihn mithilfe eines Schnelltests gleich auf die richtige Station bringen", erklärt er. Das schütze nicht nur die anderen Patienten, sondern auch das Krankenhauspersonal.
Eine Zulassung der Antigentests für den Heimgebrauch nach dem Vorbild der USA sieht Ulrichs allerdings kritisch. "Das Entscheidende ist, dass man diese Tests immer von einem Profi machen lässt", sagt der Experte. Denn auch bei eigentlich zuverlässigen Schnelltests könne es zu einem falsch-negativen Ergebnis kommen, wenn der Rachenabstrich nicht ordentlich durchgeführt werde.
Quelle: ntv.de