Abgabenlast für Bürger Das sind die Steuerpläne der Parteien
30.06.2021, 13:32 Uhr
Egal wer am Ruder ist, Steuern werden auch nach der Bundestagswahl fällig.
(Foto: picture alliance / dpa)
Steuern sind immer Thema. Vor allem vor einer Bundestagswahl. Welche Abgabenlast die Parteien für den Bürger vorgesehen haben und wie der Haushalt finanziert werden soll, wird hier eingeordnet. Klar ist, der deutsche Staat verdient, wenn er Schulden macht.
Zum Teil fehlen noch konkrete Details, doch Tendenzen zeichnen sich schon jetzt recht deutlich ab. Die CDU/CSU, die laut den aktuellen Wählerumfragen führt, hat sich klar gegen Steuererhöhungen positioniert. Vielmehr wollen die Christdemokraten mehr oder weniger alle Steuerzahler entlasten. So sollen die Topverdiener durch den Wegfall des Solidaritätszuschlags profitieren.
Zur Erinnerung: Diese Abgabe beläuft sich auf 5,5 Prozent der fälligen Lohn-, Einkommens- und Kapitalertragssteuer. Zahlen müssen Besserverdienende, Anleger, die den Sparerfreibetrag ausgeschöpft haben, sowie GmbHs und AGs. Bislang müssen nach Angaben des Bundesfinanzministeriums noch etwa zehn Prozent der Lohn- und Einkommensteuerzahler den Solidaritätszuschlag an den Fiskus abführen. Eine Abschaffung käme nicht nur Besserverdienenden zugute, sondern auch den Unternehmen und somit der Wirtschaft insgesamt.
Gleichzeitig will die Union hart arbeitende Menschen entlasten. Hierbei ist eine Ausweitung der Tarifzone 1 bei der Einkommensteuer, also des sogenannten Grundfreibetrags, vorgesehen. Derzeit sind Jahreseinkommen von Ledigen bis zu einem jährlichen Betrag von 9744 Euro steuerfrei. Von einem höheren Betrag würden alle Steuerzahler profitieren, also sowohl Gering- als auch Besserverdienende. Das könnte den Konsum unterstützen und damit das Wirtschaftswachstum. Außerdem wollen die Christdemokraten die Minijobobergrenze von 450 auf 550 Euro erhöhen.
Schließlich grassiert bei CDU/CSU die Idee, "die Steuerlast für Gewinne, die in Unternehmen verbleiben, perspektivisch auf 25 Prozent zu deckeln". Bislang summieren sich die Körperschafts- und Gewerbesteuer plus Solidaritätszuschlag auf etwas mehr als 30 Prozent. Eine Obergrenze von 25 Prozent würde also die Unternehmen entlasten.
Die anderen Parteien wollen dagegen - verkürzt ausgedrückt - von oben nach unten umverteilen. So fordern SPD, die Grünen und die Linke unisono eine Vermögenssteuer. Das könnte beispielsweise einmalig ein Prozent auf Vermögen ab einer bestimmten Höhe sein. Das mag sich unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit gut anhören, dürfte im Praxistest aber wahrscheinlich scheitern.
Was damit losgeht, dass es sich als äußerst komplex und aufwändig erweist, Vermögen überhaupt vollständig zu erfassen. Der Wert von Immobilien und Wertpapieren lässt sich noch vergleichsweise einfach festlegen. Sehr viel schwieriger ist das aber beispielsweise bei Autos, Schmuck oder Kunst und Antiquitäten. Hier wäre der bürokratische Aufwand enorm. Außerdem wäre eine Kapitalflucht zu befürchten - Vermögende könnten ihren Wohnsitz in steuergünstigere Länder verlegen. Die zusätzliche Bürokratie und die Kapitalflucht könnten dafür sorgen, dass der Staat mit einer Vermögensteuer unter dem Strich Verlust macht. Das dürfte der wesentliche Grund dafür sein, dass kaum ein europäisches Land diese "Reichensteuer" noch erhebt.
Höhere Steuern für höhere Einkommen
Umgekehrt will die SPD kleinere und mittlere Einkommen entlasten, wie genau, ist bislang jedoch unklar. Zur Gegenfinanzierung soll der Solidaritätszuschlag weiter bestehen bleiben. Außerdem soll die Reichensteuer schon ab Jahreseinkommen von 250.000 und nicht erst ab 274.000 Euro greifen.
Die Pläne der Grünen gehen in eine ähnliche Richtung. Sie wollen den steuerlichen Grundfreibetrag erhöhen, was allerdings allen Steuerzahlern zugutekäme. Außerdem soll der Spitzensteuersatz ab einem Jahreseinkommen von 100.000 bei Alleinstehenden von derzeit 42 auf 45 Prozent steigen. Der Satz für die Reichensteuer soll von 45 auf 48 Prozent zulegen, aber weiterhin erst ab einem Jahreseinkommen von 274.000 Euro greifen.
Am stärksten will die Linke zugreifen. Zwar will sie den Grundfreibetrag auf 14.000 ausweiten. Dafür soll der Spitzensteuersatz von 42 auf 53 steigen und schon ab Jahreseinkommen von 70.000 Euro pro Jahr gelten. Ob solche Steuerzahler sich selbst als Spitzenverdiener sehen, darf bezweifelt werden. Die Reichensteuer soll - wie auch von der SPD geplant - schon ab Jahreseinkommen von 250.000 Euro gelten, aber von 42 auf 60 Prozent steigen. Ab einer Million Euro sollen dann sogar 75 Prozent ans Finanzamt gehen.
Generell könnte die Wirtschaft von einer Umverteilung von oben nach unten profitieren, weil die Konsumneigung bei geringeren Einkommen tendenziell höher ist als bei größeren. Ob eine Umverteilung gerecht wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Die FDP will dagegen, dass der Spitzensteuersatz erst ab jährlichen Einkommen von 90.000 Euro gilt. Bislang liegt die Grenze bei 58.000 Euro. Außerdem wollen die Liberalen den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen. Sollten diese Pläne umgesetzt werden, würden eher Besserverdienende und Unternehmen profitieren.
Eigentlich unproblematische Finanzierung
Das alles würde natürlich eine Menge Geld kosten. Doch nach wie vor gilt die kuriose Tatsache, dass der deutsche Staat verdient, wenn er Schulden macht. Die Zinsen von zehnjährigen Bundesanleihen notieren weiter im negativen Bereich. Die These, dass Steuersenkungen die Wirtschaft in einem Ausmaß beleben, dass dadurch höhere Steuern generiert werden, die die Ausfälle ausgleichen, hat sich früher nie bewahrheitet.
Negative Zinsen könnten hier jedoch einen Paradigmenwechsel bedeuten. Denn die Kosten für neue Schulden entfallen derzeit, vielmehr bescheren sie dem Staat zusätzliche Einnahmen. Dazu käme noch eine stärker wachsende Wirtschaft. Allerdings wollen zumindest die Union und die FDP so bald wie möglich zur Schuldenbremse zurückkehren. Steuersenkungen ließen sich dann aber nur durch Kürzungen an anderen Stellen finanzieren. Dazu haben sich allerdings bislang weder CDU/CSU noch die Liberalen geäußert.
Dr. Michael Bormann ist Steuerexperte und seit 1992 Gründungspartner der Sozietät bdp Bormann Demant & Partner www.bdp-team.de. Schwerpunkte seiner Tätigkeiten sind neben Steuern die Bereiche Finanzierungsberatung sowie das Sanierungs- und Krisenmanagement bei mittelständischen Firmen.
Quelle: ntv.de