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Klimaneutraler Schienenverkehr Sind Wasserstoffzüge die richtige Alternative?

Der von einer Wasserstoff-Brennstoffzelle angetriebene Coradia iLint rollt bereits planmäßig durch Niedersachsen.

Der von einer Wasserstoff-Brennstoffzelle angetriebene Coradia iLint rollt bereits planmäßig durch Niedersachsen.

(Foto: picture alliance/dpa/CTK)

Der Schienenverkehr ist vergleichsweise klimafreundlich - doch auf einigen Strecken in Deutschland sind noch Dieselzüge im Einsatz. Neue Wasserstoff-Züge halten manche für den besten Ersatz. Die ersten sind schon im Betrieb. Doch auch eine andere Technologie könnte das Rennen machen.

Die Bundesregierung will im Verkehr den CO2-Ausstoß senken und gleichzeitig die Abhängigkeit von Energieimporten senken. Auch die Schiene soll klimafreundlich werden. Schienenverkehr gilt zwar ohnehin schon als deutlich klimafreundlicher als Autos und Busse - ganz zu schweigen vom Flugzeug. Und im Bahn-Fernverkehr sind ICEs und ICs schon seit 2018 ausschließlich mit Ökostrom unterwegs. Gleichzeitig sind in Deutschland immer noch Tausende Diesel-Züge im Einsatz.

Im Regionalverkehr werden noch für ein Fünftel der Verkehrsleistung Diesel-Züge eingesetzt. Grund ist, dass rund 40 Prozent des deutschen Schienennetzes nicht elektrifiziert sind, was vor allem im ländlichen Raum auf weniger stark ausgelasteten Strecken der Fall ist. Natürlich könnte man dort einfach Oberleitungen für Elektro-Züge bauen. Mal davon abgesehen, dass das Landschaftsbild darunter leidet, kostet es auch eine Menge Geld und lohnt sich vor allem auf Strecken mit geringer Auslastung nicht.

Die Frage ist daher, wie die Dieseltriebwagen der Regionalzüge - ein Triebwagen ist im Prinzip ein fahrender Waggon oder eine Lokomotive mit Sitzplätzen, je nachdem, wie man es sieht - ersetzt werden sollen. Eine Antwort lautet: mit Wasserstoff. Denn die Züge können damit betankt werden, Brennstoffzellen an Bord lassen diesen mit Sauerstoff zu Wasser reagieren, dabei entsteht Strom.

In Niedersachsen wird Dampf gemacht

Bereits im Jahr 2016 präsentierte der französische Konzern Alstom seinen Wasserstoffzug Coradia iLint, der erste Personenzug, der mit einer Brennstoffzelle betrieben wird. Mittlerweile haben andere Hersteller nachgezogen: Der Wasserstoff-Zug von Siemens, der Mireo Plus H, startete Anfang September zu seiner ersten Testfahrt. Ab 2024 soll er zwischen Tübingen, Horb und Pforzheim in den Probebetrieb gehen. Das Schweizer Unternehmen Stadler will seinen Flirt H2 genannten Wasserstoff-Zug ab 2024 in den USA fahren lassen.

Bei Alstom ist man schon einen Schritt weiter: Der Coradia iLint ist seit August bereits in Niedersachsen im regulären Einsatz. Zunächst fünf, bis zum Jahresende schließlich 14 wasserstoffbetriebene Regionalzüge sollen stündlich auf der knapp 130 Kilometer langen Strecke zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude fahren. Auf diese Weise werden 15 Diesel-Züge ersetzt. Im September stellte der Coradia iLint seinen Reichweitenvorteil unter Beweis: Mit einer Tankfüllung gelang es, mehr als 1000 Kilometer zurückzulegen - ein neuer Rekord.

Gehört die Zukunft der Schiene also dem Wasserstoff? Das kann man derzeit nicht eindeutig beantworten, denn es gibt noch offene Fragen. Zum einen, wo der Wasserstoff für den Betrieb überhaupt herkommen soll. Zwar wird in Deutschland Wasserstoff produziert, dabei handelt es sich aber überwiegend um sogenannten grauen Wasserstoff. Dieser wird aus fossilen Energieträgern, überwiegend Erdgas, hergestellt. Dabei entsteht CO2, was ihn also alles andere als klimaneutral macht. Auch die bereits durch Niedersachsen rollenden Alstom-Züge werden noch mit grauem Wasserstoff betankt.

Grüner Wasserstoff noch Mangelware

Grüner Wasserstoff hingegen ist komplett klimaneutral, da er durch die sogenannte Elektrolyse ausschließlich aus Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Es entsteht also kein CO2. Doch ist er noch deutlich teurer als grauer Wasserstoff. Dennoch sollen auch die Alstom-Züge perspektivisch mit vor Ort erzeugtem grünem Wasserstoff versorgt werden. Auch beim Siemens-Zug Mireo Plus H ist das geplant.

Doch wird auch ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung stehen? Noch macht er nur einen Bruchteil der Wasserstoff-Produktion in Deutschland aus. Verkehrsexperte Peter Kasten vom Öko-Institut in Berlin geht jedoch davon aus, dass die nötige Menge perspektivisch verfügbar sein sollte, da "die Wasserstofftechnologie im Schienenverkehr - auch wenn sie eine höhere Nachfrage erhalten wird - eher eine Nischenanwendung bleiben wird", wie er ntv.de mitteilte. Der Bedarf der Züge sei vergleichsweise gering zu den Mengen, die andere Anwendungsbereiche für den klimaneutralen Wandel benötigten, wie etwa die Stahlproduktion, die chemische Industrie oder der See- und Luftverkehr.

Bleibt noch die Frage: Rechnet sich der Einsatz von Wasserstoff-Zügen überhaupt? In einer vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2016 waren Wasserstoff-Züge in der Anschaffung zwar teurer als Diesel-Züge. Ziehe man aber die Kosten für die nötige Infrastruktur hinzu und berücksichtigt man Subventionen für Diesel-Kraftstoffe, seien Wasserstoff-Züge am Ende sogar um fast ein Viertel günstiger, hieß es damals.

Akku-Züge, die bessere Alternative?

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Doch die Zweifel an der Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff-Triebwagen mehren sich zuletzt. Eine Untersuchung der TU Dresden aus dem Jahr 2019 etwa sah Diesel-Triebwagen wirtschaftlich immer noch im Vorteil. Und wenn es um Alternativen geht, seien nicht Wasserstoff-Züge, sondern Hybrid-Züge, die ihren Elektromotor aus einer Oberleitung und Batterien speisen, die günstigere Lösung. Auch Experten vom Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) bewerteten in ihrer Studie für das Regionalnetz Düren aus dem Jahr 2020 die Batterie-Züge als deutlich preiswertere Alternative.

In Nordrhein-Westfalen etwa hat man sich statt für Wasserstoff-Züge für Akku-Züge des spanischen Anbieters CAF entschieden. Diese überbrücken Streckenabschnitte ohne Oberleitung einfach mit ihren Batterien. Im Niederrhein-Münsterland-Netz sollen ab 2025 die Dieseltriebwagen nach und nach den batteriebetriebenen Fahrzeugen weichen. Bis 2028 sollen dann insgesamt 63 Züge mit Batterien im Einsatz sein, die rund 24.000 Tonnen CO2-Emissionen jährlich einsparen sollen. Weniger als zehn Prozent der gefahrenen Kilometer sollen dann noch von Dieselzügen geleistet werden.

Quelle: ntv.de

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