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Bedrohte Regenwälder der Meere Von der Schwierigkeit, Super-Korallen zu züchten

Die steigenden Temperaturen in den Meeren lassen viele Korallen sterben.

Die steigenden Temperaturen in den Meeren lassen viele Korallen sterben.

(Foto: dpa)

Erderwärmung, Verschmutzung der Meere und Überfischung setzen den Korallen zu. Eine Lösung könnten Super-Korallen sein, die besser mit Umweltbelastungen klarkommen. Die ersten Schritte zu ihrer Züchtung werden schon gemacht.

Die meisten Menschen denken bei Korallen an das Great Barrier Reef. Es besteht aus über 3000 einzelnen Riffsystemen und Korallenbuchten, die wiederum unzählige Meeresbewohner beherbergen. Und trotzdem ist das nur ein winziger Teil der Meere, den Korallen besiedelt haben.

Die seltsamen Organismen hatten Forschenden mehrere Jahrhunderte lang Rätsel aufgegeben. Inzwischen ist klar: Korallen werden der Klasse der Anthozoen im Tierstamm Cnidaria zugeordnet, zu dem auch Seeanemonen und Quallen gehören. Sie sind kleine Tiere, Polypen genannt, die Kolonien bilden können. Diese Polypen bilden ein gemeinsames Skelett, das bei einigen Arten das Fundament eines Korallenriffs bildet. Dafür bilden Korallen harte Karbonat-Außenskelette aus, die die Koralle stützen und schützen.

"Steinkorallen, die die Riffe bauen, existieren seit 250 Millionen Jahren mit nahezu unverändertem Bauplan und waren in der Erdgeschichte schon extremeren Umweltbedingungen ausgesetzt als jetzt", sagt Christian Wild von der Universität Bremen, die das 15. Internationale Korallenriff Symposium ICRS in dieser Woche ausrichtet. 1100 Forschende aus mehr als 80 Ländern werden dazu vor Ort erwartet, zusätzlich wollen sich rund 500 Fachleute virtuell zuschalten.

Hauptthema der Konferenz ist der Schutz dieser sensiblen Ökosysteme. Denn die lange Daseinsgeschichte von Korallen bedeutet nicht, dass sie die inzwischen massiven Veränderungen durch die Klimakrise einfach so wegstecken. Jedes Jahr sterben bei großen Korallenbleichen jahrzehntelang gewachsene Riffe großflächig ab.

Die Korallenbleiche ist ein Phänomen, das auftritt, wenn Korallen gestresst sind und dann die in ihnen lebenden bunten Algen abstoßen. Als Auslöser dafür gelten die ständig steigenden Wassertemperaturen. Sind diese mehrere Tage lang zu hoch, wird die Beziehung zwischen dem Korallentier und seinen mikroskopisch kleinen symbiotischen Algen gestört. Bessert sich dieser Zustand nicht, sterben die Korallen innerhalb weniger Monate. Infolge der aufeinanderfolgenden Hitzewellen in den Jahren 2016 und 2017 betraf das vermutlich 50 Prozent der Korallen am Great Barrier Reef.

Suche nach hitzeresistenter Superkoralle

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fürchten, dass Korallenriffe eines der ersten Ökosysteme sein könnten, die irreparabel verändert werden, wenn die CO₂-Emissionen der Welt nicht schnell erheblich reduziert werden. Eingriffe in die Küstenlinien, zunehmende Verschmutzung und Überfischung kommen als weitere schädigende Faktoren hinzu. Wild zufolge stehen Maßnahmen wie die Entwicklung nachhaltiger Fangquoten gegen die Überfischung und der Bau von Kläranlagen zur Bekämpfung der Überdüngung ganz oben auf der Agenda, aber auch mit der aktiven Restaurierung von Riffen unter Einsatz von besonders hitzeresistenten sogenannten Superkorallen könne viel erreicht werden.

Als relativ widerstandsfähig erwiesen sich die Korallenriffe von Palau, einem Inselstaat im Pazifischen Ozean. Das vom Europäischen Forschungsrat Horizon 2020 finanzierte Projekt Coralassist sucht dort inzwischen gezielt nach hitzetoleranteren Korallen. Das Ziel ist, sie nachzuzüchten. So will das internationale Team unter der Leitung von Forschern der Universität Newcastle für einige wertvolle Riffe Zeit gewinnen, um die Ursachen ihres Absterbens zu bekämpfen.

Riffe sind prinzipiell widerstandsfähig und können sich nach einer großen Bleiche regenerieren. Doch dafür brauchen sie Zeit. Normalerweise brauchen geschädigte Riffe zwischen fünf und zehn Jahren, bis sie wieder annähernd ihren ursprünglichen Zustand erreicht haben. Wenn die Abstände zwischen Bleichereignissen zu kurz werden, beispielsweise nur ein oder zwei Jahre, können die lebenswichtigen Erholungsprozesse ausbleiben.

Die Forschenden sind deshalb auf der Suche nach Lösungen. Um robustere Korallen zu bekommen, wurden zunächst kleine Korallenstücken, sogenannte "Nubbins", Hitzestresstests unterzogen. Dabei wurde in Meerwassertanks die Temperatur langsam erhöht, um die Korallenbleiche zu simulieren. Selbst innerhalb einer einzigen Population gab es keine einheitliche Reaktion. Die widerstandsfähigsten Korallen wurden dann kurz vor der Laichzeit ins Labor gebracht, um dort zu laichen. In einer Spezialausgabe des Magazins "Environment, coastal and offshore" aus Anlass der Korallenkonferenz schildern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die enormen Herausforderungen. "Dies ist keineswegs eine einfache Aufgabe, denn Korallen laichen nur einmal im Jahr in bestimmten Nächten. Wenn dieses Ereignis verpasst wird, müssen wir ein ganzes Jahr warten, um eine weitere Chance zu bekommen", schreiben sie.

Störende Fressfeinde

Der Korallennachwuchs aus dem Labor wird dann teils in Aquarien und teils in Kinderzimmern in der Nähe des Riffs gezüchtet. Sind sie groß genug, können die Babykorallen direkt in das Riff ausgepflanzt werden. Ob die Nachkommen sich als genauso so zäh wie ihre Eltern erweisen, wird dann in weiteren Hitzestresstests in verschiedenen Lebensstadien überprüft. Ziel ist es, mehr von den widerstandsfähigeren Korallen in die Riffe zu säen, um zu testen, ob dies die durchschnittliche Hitzetoleranz der Population erhöht. Wenn dies gelinge, sei zu erwarten, dass ein höherer Anteil der aufgezogenen Korallen das nächste Bleichereignis im Meer überleben wird.

Bisher ist es den Forschenden gelungen, von den beiden Arten Acropora digitifera und Goniastrea retiformis 14 potenzielle Elterntiere für die Zucht zu identifizieren und daraus Kreuzungen zu entwickeln. Mehr als 600 Jungkorallen wurden in ein Riff verpflanzt. Dabei zeigte sich, dass die Überlebensrate vor allem von Korallen unter einem Zentimeter Durchmesser gering war, weil Fische sie abweideten. Inzwischen sind die Forschenden zu einer längeren Aufzucht übergangen, die aber mehr Arbeit und höhere Kosten bedeutet.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstreichen die Notwendigkeit, innovative Methoden zu entwickeln, um frühe Sterblichkeit zu vermeiden, die Aufzuchtzeiten zu verkürzen und die Überlebensrate zu erhöhen. Unter anderem bringen sie die Entwicklung von speziellen Substraten für Babykorallen ins Gespräch, die Schutz vor Fischfraß bieten und von Konstruktionen, die schnell und einfach am Riff befestigt werden können.

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Noch sei es zu früh, um die Ergebnisse abschließend zu beurteilen, aber die Tests an Nachkommen zeigen nach Angaben der Forschenden ermutigende Anzeichen dafür, dass Hitzetoleranz eine starke vererbbare Komponente hat. Jetzt müsse man noch herausfinden, ob die erhöhte Toleranz ein Korallenleben lang anhält und ob es Wechselwirkungen zwischen Hitzetoleranz und Korallenwachstum, Fruchtbarkeit oder Reproduktionsleistung der Tiere gibt. Dafür müssen die markierten Korallenkolonien regelmäßig überwacht werden. Außerdem ist geplant, die Korallen und ihre mikrobiellen Symbionten genetisch zu sequenzieren. So sollen Proteine erkannt werden, die beim Schutz der Korallen vor Hitzestress eine Rolle spielen.

Es sei ermutigend, wie weit das Projekt bisher gekommen sei, so die Forschungsgruppe. "Aber es ist noch ein langer Weg, bevor die Arbeit, die wir leisten, eine reale Auswirkung auf den Naturschutz haben wird", betont das Coralassist-Team. Die Zeit für die Korallenriffe laufe ab und noch sei nicht klar, ob diese Innovationen in Lösungen umgewandelt werden können.

Quelle: ntv.de

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