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Schon zwei Stunden nach Verzehr Wie Mikroplastik ins Gehirn eindringt

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Rückstände von Plastik wurden mittlerweile in den entlegensten Winkeln der Erde nachgewiesen - aber auch im menschlichen Körper.

Rückstände von Plastik wurden mittlerweile in den entlegensten Winkeln der Erde nachgewiesen - aber auch im menschlichen Körper.

(Foto: picture alliance / GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com)

Mit jeder Mahlzeit und mit jedem Schluck Wasser nehmen wir Mikroplastik zu uns. In unserem Körper können die winzigen Kunststoffpartikel in Gewebe und Organe eindringen - und durchbrechen sogar die Barriere zum Gehirn. Wie das möglich ist und wie schnell Mikroplastik vom Magen ins Hirn gelangt, hat ein Forschungsteam nun an Mäusen herausgefunden.

Plastik ist überall. Sogar in unserem Körper sammeln sich Mikropartikel davon an. Wir atmen diese ein oder essen und trinken sie. Bis zu fünf Gramm der winzigen Teilchen kommen Studien zufolge so pro Woche in den Körper eines Menschen. Zum Vergleich: Auch eine Kreditkarte wiegt in etwa fünf Gramm. Dort kann es in Gewebe und Organe eindringen und durchbricht sogar die Barriere zu unserem Gehirn.

Ein internationales Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass Mikroplastik bereits wenige Stunden nach dem Verzehr das Gehirn erreichen kann. Nicht nur die Geschwindigkeit sei alarmierend, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch die Möglichkeit, dass winzige Kunststoffteilchen in unser Nervensystem gelangen und dort Schaden anrichten. "Im Gehirn könnten Plastikpartikel das Risiko von Entzündungen, neurologischen Störungen oder sogar neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson erhöhen", sagt Seniorautor Lukas Kenner, Pathologe an der Medizinischen Universität Wien.

Die Größe ist entscheidend

Für ihre Studie, die im Fachmagazin "Nanomaterials" erschienen ist, verabreichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Mäusen oral Kunststoffpartikel in verschiedenen Größen, die mit Farbstoffen markiert waren. Das Ergebnis: "Zu unserer Überraschung beobachteten wir die grünen Fluoreszenzsignale der kleinsten Mikroplastik-Partikel schon zwei Stunden später im Gehirn der Tiere", berichtet das Forschungsteam. "Das deutet darauf hin, dass Polystyrol-Nanoplastik die Darmbarriere und die Blut-Hirn-Schranke in relativ kurzer Zeit durchdringen kann." Dabei ist die Größe der Kunststoffteilchen offenbar entscheidend: Mikroplastik mit einer Größe von mehr als einem Mikrometer gelang die Passage nicht.

Die Blut-Hirn-Schranke ist ein System aus Blutgefäßen und dicht gepacktem Oberflächengewebe, das unser Gehirn vor potenziellen Bedrohungen schützt, indem es den Durchgang von Giftstoffen und anderen unerwünschten Stoffen blockiert, während es nützliche Substanzen passieren lässt. Kunststoffpartikel gehören zu den Materialien, die von den empfindlichen Geweben des Gehirns ferngehalten werden sollten.

Wie schafft es das Mikroplastik, die Blut-Hirn-Schranke dennoch zu passieren? Um das herauszufinden, führte das Team eine Computersimulation mit nahezu atomarer Auflösung durch. "Mithilfe von Computermodellen haben wir herausgefunden, dass eine bestimmte Oberflächenstruktur (biomolekulare Korona) entscheidend dafür ist, dass Kunststoffpartikel in das Gehirn gelangen können", erklärt Studien-Co-Autor Oldamur Hollóczki, Chemiker für Nanokunststoffe an der Universität Debrecen in Ungarn.

Wie Mikroplastik entsteht

Für Mikroplastik gibt es keine offizielle Definition. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind üblicherweise Plastikpartikel gemeint, die kleiner als fünf Millimeter und größer als ein Mikrometer (entspricht 1/1000 Millimeter) sind. Es ist technisch praktisch nicht möglich, die kleinen Teilchen wieder aus der Umwelt zu entfernen.

Mikroplastik entsteht unter anderem beim Abrieb von Reifen oder Schuhsohlen, beim Verschleiß größerer Plastikteile oder beim Waschen synthetischer Textilien. Auch Mikroplastikpartikel in Kosmetika, aus Bauschutt oder Verwehungen von Sport- und Spielplätzen enden als Mikroplastik in der Umwelt. Das Fraunhofer-Institut geht in einer Studie davon aus, dass in Deutschland nur rund ein Viertel des Kunststoffs, der in die Umwelt gelangt, aus Makroplastik besteht. Dazu gehören Plastiktüten und andere Kunststoffprodukte. Der Rest, etwa 74 Prozent, sind demnach Mikroplastik.

Wie man die Mikroplastik-Aufnahme verringern kann

Nach Ansicht von Kenner und seinen Kollegen ist es dringend nötig, die Interaktion von Mikroplastik mit unseren Geweben, Membranen und Zellen weiter zu erforschen. "Um die potenziellen Schäden von Mikro- und Nanoplastikpartikeln für Mensch und Umwelt zu minimieren, ist es entscheidend, die Exposition zu begrenzen und ihre Verwendung einzuschränken, während die Auswirkungen von Mikroplastik weiter erforscht werden", sagt der Pathologe.

Das Forschungsteam schränkt ihre Ergebnisse aber auch ein. Diese basierten auf Versuchen mit Mäusen und Computersimulationen. Es sei also unklar, wie sich das Mikroplastik im Menschen verhalte, heißt es in der Studie. Zudem wisse man nicht, ab welcher Menge Mikroplastik tatsächlich Schäden im Körper anrichte. Dennoch seien die Erkenntnisse wichtige Hinweise zu einer möglichen Risikoeinschätzung von Mikroplastik in Organismen.

Übrigens: Leitungswasser-Trinker nehmen im Schnitt weniger Mikroplastik zu sich als Menschen, die Wasser aus Plastikflaschen trinken. Wer die empfohlenen zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, schluckt dadurch einer Studie zufolge rund 90.000 Plastikpartikel pro Jahr. Wer jedoch zum Wasserhahn greift, kann die aufgenommene Menge um mehr als die Hälfte reduzieren. Und man spart sich sogar das Schleppen nach dem Einkauf.

Quelle: ntv.de

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