Allein gegen die ErderwärmungWarum klimaneutral zu leben so schwer ist
Kai Stoppel 
Die Klimapanik macht sich breit - viele Menschen fühlen sich der drohenden Katastrophe hilflos ausgeliefert. Dabei kann jeder an seiner eigenen CO2-Bilanz arbeiten und Treibhausgase verringern. Allerdings kann das ganz schön knifflig werden.
Die Erde schlingert dem Klima-Kollaps entgegen und die Politik schaut hilflos zu. Aber warum auf die Politik warten, wenn man durch sein eigenes Verhalten die Katastrophe abwenden kann? Schließlich verursacht jeder Bundesbürger pro Jahr rund zwölf Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) und andere Treibhausgase. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und die Erde bis 2100 weniger als zwei Grad wärmer werden zu lassen, sollten es jedoch deutlich unter einer Tonne sein. Es müsste also jeder seine CO2-Bilanz massiv drücken.
Die Suche nach einem klimafreundlichen Verhalten kann ganz schön knifflig werden. Denn fast überall verstecken sich C02-Quellen. Wer denkt daran, dass Essen in Restaurants schlecht für das Klima ist? Aber tatsächlich wird in der Gastronomie viel Energie für das Heizen oder Kühlen von Räumen verbraucht - bei einem breiten Menü werden zudem viele Lebensmittel angeschafft und oft auch weggeworfen. Das erhöht ebenfalls die CO2-Bilanz, da die Herstellung neuer Nahrungsmittel ebenso zu Emissionen führt wie das Verrotten von Biomasse.
Apropos Essen: Besonders tückisch ist das Siegel "Bio" im Supermarkt - denn es suggeriert eine größere Umweltverträglichkeit. Das sollte ja wohl auch fürs Klima gelten? Mitnichten. Bio-Fleisch vom Rind verursacht tatsächlich mehr Treibhausgase als das aus konventioneller Haltung. Denn Bio-Rinder wachsen langsamer, daher leben sie länger und geben mehr klimaschädliches Methan ab. Beim Bio-Schwein ist es genau umgekehrt. Für das Futter konventioneller Schweine wird mehr Stickstoff-Dünger verwendet, der die Emission von klimaschädlichem Lachgas forciert. Wer soll da noch durchblicken?
Wohnen im Grünen ist schlecht fürs Klima
Auch beim Wohnen trügt der Schein - wer sich das Leben im eigenen Haus auf dem Land, mit Garten und umgeben von viel Grün als besonders klimafreundlich vorstellt, irrt. Denn Einfamilienhäuser verschlingen je nach Bauart vergleichsweise viel Heizenergie. Dazu kommt, dass pro Kopf anteilmäßig mehr Infrastruktur benötigt wird als bei Mehrfamilienhäusern - seien es Straßen, Wasser-, Strom- oder Gasleitungen. Zudem steigt das Verkehrsaufkommen durch das Wohnen auf dem Land, da die Wege zur Arbeit oder zum Einkaufen länger werden, was das Klima zusätzlich belastet.
Mobilität ist ohnehin einer der großen Posten in der persönlichen Klimabilanz. Fahrradfahren ist klar am klimafreundlichsten, aber für den Urlaub und den Besuch von Freunden und Verwandten in anderen Regionen wenig geeignet. Daher legen Bundesbürger Im Schnitt etwa 13.000 Kilometer im Jahr mit dem Auto zurück - bedeutet etwa drei Tonnen in der CO2-Bilanz. Klar kann man mit Zug- und Busreisen seine Klimabilanz deutlich verbessern. Aber was ist mit der Schwester in Kanada? Oder dem alten Freund in Bangkok? Am Flugzeug führt dann kein Weg vorbei - die eigene CO2-Bilanz ist jedoch besonders bei Fernflügen schnell ein paar Tonnen höher.
Wirklich schwer wirkt sich auch das übrige Konsumverhalten auf die persönliche Klimabilanz aus. Seien es Haushaltswaren, Möbel, Kleidung, Bankgeschäfte, Gesundheit oder Bildung - im Schnitt produziert ein Bundesbürger 4,6 Tonnen CO2 auf diese Weise. Warum? Produktion, Transport, Dienstleistungen und Handel verschlingen Energie, die immer noch zum Großteil durch fossile Brennstoffe wie Diesel und Kohle bereitgestellt wird.
Und selbst wenn es gelingt, die CO2-Bilanz des eigenen Kleiderschranks durch das Tragen von Secondhand-Kleidung zu reduzieren, auf Flugreisen und Rindfleisch zu verzichten - es bleiben Emissionen, auf die ein Einzelner keinen Einfluss hat. Denn auch der Staat produziert Treibhausgase, die auf jeden Bürger umgelegt werden. Autobahnen, Schulen und Verwaltung tragen dazu bei. Auch bei der Wasserver- und Müllentsorgung entsteht CO2, das sich für den Einzelnen nicht vermeiden lässt. Pro Kopf sind das nochmal rund 0,7 Tonnen CO2 im Jahr.
Wege aus der eigenen Klima-Falle
Das bedeutet auch, dass klimaneutrales Leben alleine durch Vermeidung von Treibhausgasen nicht zu schaffen ist. Doch was tun? Wer Orientierung braucht, um seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren: Hilfreich dafür sind CO2-Rechner, die im Internet angeboten werden. Diese gibt es etwa beim Umweltbundesamt, dem WWF oder von Klimaktiv, einer gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung des Klimaschutzes.
Es gibt zudem die Möglichkeit, den Rest seiner CO2-Bilanz mit Kompensationen auszugleichen. Verschiedene Anbieter kompensieren gegen Bezahlung CO2 - das Geld fließt in den Ausbau erneuerbarer Energien in Entwicklungs- und Schwellenländern, um dort CO2 zu vermeiden. Allerdings löst dies das Problem von Treibhausgas-Emissionen hierzulande nicht.
Eine weitere Variante ermöglicht unsere Demokratie: Wer mehr klimaschützende Maßnahmen wünscht, kann eine Partei wählen, die diese verspricht. Wem das bestehende Angebot nicht ausreicht, kann selber aktiv werden - etwa in Klima- und Naturschutzorganisationen.