Artenschutz in Beton Fledermäuse lieben alte Bunker für die Winterruhe
19.01.2025, 13:56 Uhr Artikel anhören
13 Bunker in Schleswig-Holstein sind als Winterquartier für Fledermäuse hergerichtet.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nicht nur Menschen mögen es in ihrer Wohnung kuschelig. Auch Fledermäuse haben es für ihre Winterruhe gerne sicher und geborgen. Eine immer größere Zahl der Säuger sucht daher Unterschlupf in alten, extra für sie hergerichteten Munitionsbunkern.
"Sieben Zwerge, zwei Fransen", ruft Matthias Göttsche nach einem Blick in einen schmalen Spalt und leuchtet mit seiner Taschenlampe bereits in das nächste Versteck. Der Fledermausexperte inspiziert einen alten Munitionsbunker der Bundeswehr in Hohenlockstedt im Kreis Steinburg, der als Winterquartier für die kleinen Säugetiere dient.
Schließlich klettert Göttsche aus der engen, mit schwerem Riegel und Vorhängeschloss gesicherten Einstiegsluke des im Wald versteckten Bunkers und strahlt. "Das ist super", sagt der 52 Jahre alte Ingenieur für Landschaftsnutzung und Naturschutz zu dem, was er gerade gesehen und gezählt hat. Das erst vor wenigen Jahren eingerichtete Winterquartier in dem Bunker nahe dem früheren Hubschrauberflugplatz "Hungriger Wolf" der Heeresflieger wird sogar besser angenommen als erhofft.
Im vergangenen Jahr zählten die Experten noch weniger als 500 Überwinterungsgäste in diesem Bunker, jetzt sind es 711. In allen Bunkern auf dem Gelände sind es insgesamt 1259 Tiere, 286 mehr als im vergangenen Jahr.
Mit von der Partie ist die Biologin Patricia Bulang, die an einer Doktorarbeit über Fledermäuse arbeitet und Göttsche künftig einen Teil der Arbeit abnehmen soll. Mit sicherem Blick in die Unterschlüpfe, die zum Beispiel aus extra angefertigten Betonhohlsteinen bestehen und in mehreren Metern Höhe an die Decke geschraubt sind, unterscheidet sie Zwerg- von Langohrfledermäusen und Wasser- von Fransenfledermäusen, wo der Laie nur ein winziges zusammengekauertes Säugetier mit Flügeln erkennt. Bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit geht es "um die Überwinterung von Fledermäusen im Klimawandel", wie sie erklärt.
Dazu fallen Göttsche direkt mehrere Aspekte ein. Einerseits könnten die Fledermäuse im Herbst länger nach Insekten jagen, anderseits könnten sie im Frühjahr eher aktiv werden. Ob das bei späten Frostperioden ein Problem ist, sei bisher nicht bekannt. Ein Problem für alle Fledermäuse über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus ist aber der allgemeine Artenverlust und damit das verringerte Angebot an Nahrungsinsekten.
Fledermauszählungen sollen Trends aufspüren
Göttsche ist seit 25 Jahren immer im Januar im Auftrag des Umweltministeriums in ganz Schleswig-Holstein unterwegs, um winterschlafende Fledermäuse zu zählen. Die Langzeitdaten sollen dabei helfen, positive oder negative Trends bei den Fledermäusen zu erkennen und die Effektivität von Schutzmaßnahmen zu bewerten.
Die Bunker in Hohenlockstedt stehen auf dem Boden der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten, die für den Wald des Landes verantwortlich sind. Dort ist Katharina Mausolf für Naturschutz zuständig. "Der weitere Anstieg der Zahlen zeigt mehr als deutlich, dass sich die Maßnahmen lohnen." Im Winter 2018/19 zu Beginn der Umbauten waren es erst 34 Tiere. "Ich freue mich jedes Jahr auf die Kontrollen. Die Fledermausbunker in Hohenlockstedt sind für mich das perfekte Beispiel wie effektive Artenschutzmaßnahmen in der Zusammenarbeit mit Experten und Behörden funktionieren können."
Das Geld für den Umbau der Bunker - inzwischen sind 13 der 22 Anlagen für Federmäuse hergerichtet - kommt von der unteren Naturschutzbehörde des Kreises Steinburg. Abteilungsleiterin Barbara Köhne begleitet die Zählung und freut sich über den Erfolg. "Gut, dass die Mittel so erfolgreich eingesetzt werden."
Betonboden steht unter Wasser
Für die Betreuung der 30 Hektar großen ehemaligen Militärfläche ist Revierleiter Björn Berling zuständig. Für den Wald, der die rundbuckelig aus dem Boden ragenden und bewachsenen Bunker einst tarnen sollte, gilt, was für den Landeswald insgesamt gilt. "Wir sehen zu, dass wir den Wald verjüngen und zu einem Mischwald machen", sagt er mit Blick auf eine kerzengerade aufragende etwa 70 Jahre alte Fichte.
In weiteren jüngst hergerichteten Bunkern steht der Betonboden teilweise ein paar Zentimeter unter Wasser. Die kühle Januarluft ist hier spürbar feuchter. Das ist Absicht. Ein Rohr leitet Regenwasser vom Dach ins Innere. Einige Fledermausarten lieben es feucht in ihren engen Verstecken, sagt Göttsche.
Hier sind in diesem Winter erst wenige Tiere. Der gute Unterschlupf wird sich nach seiner Erfahrung aber schnell unter den Fledermäusen verbreiten. Die Tiere erkunden die Möglichkeiten bereits im August und kommen dann zur Winterruhe wieder. "Das wird sich positiv entwickeln", ist Göttsche überzeugt. Weiter nördlich in Kropp beispielsweise überwintern in Bunkern bereits mehrere Tausend Tiere.
Quelle: ntv.de, Sönke Möhl, dpa