Die 25.000-Euro-Frage Staatsschulden werden für Anleger zum Problem
14.04.2024, 06:20 Uhr Artikel anhören
Über Jahrzehnte dienten langlaufende Staatsanleihen als Risikopuffer in hektischen Marktphasen.
(Foto: imago images/McPHOTO)
Aufgrund der rückläufigen Inflation wird die EZB wahrscheinlich schon bald die Leitzinsen senken. Etwas komplizierter verhält es sich in den USA, da sich dort die Geldentwertung als hartnäckig erweist und die Staatsschulden immer weiter steigen. Langlaufende Staatsanleihen sind nicht mehr unbedingt ein sicherer Hafen.
Voraussichtlich im Juni dürfte EZB-Präsidentin Christine Lagarde das erste Mal die Zinsschraube um 25 Basispunkte nach unten drehen. Dem könnten dieses Jahr noch zwei weitere Zinssenkungen folgen und 2025 nochmals zwei.

Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
Die Erwartungen auf den ersten Zinsschritt der US-amerikanischen Notenbank Fed werden dagegen zeitlich immer weiter nach hinten geschoben. Dafür sorgte zuletzt auch die überraschend hohe Inflation im März von 3,5 Prozent. Die US-Konjunktur läuft dank einer sehr expansiven Ausgabenpolitik des Staates einfach zu gut. Deshalb ist die Inflationsrate nicht mehr weiter rückläufig, sondern hat sich seit Mitte letzten Jahres auf einem Niveau von mehr als drei Prozent eingependelt. Da jetzt auch wieder die Rohölpreise anziehen, dürften positive Überraschungen in Sachen Inflation eher ausbleiben.
Ohnehin liegt die Kernrate, das heißt ohne Berücksichtigung von Nahrungsmittel- und Energiepreisen, aktuell mit 3,8 Prozent immer noch viel zu hoch. Dennoch rechnen die Fed-Mitglieder in diesem Jahr selbst mit bis zu drei Zinssenkungen. Das kann schon überraschen.
Es lässt sich natürlich argumentieren, dass der Leitzins mit der derzeitigen Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent weit genug über der Teuerungsrate liegt, man nun den Druck auf der Bremse reduzieren könnte und dennoch im restriktiven Bereich bleiben würde.
Wahrscheinlicher sind jedoch wirtschaftliche Überlegungen und eventuell ist bei einigen Notenbank-Mitgliedern wohl auch eine politische Motivation am Werk - zum Beispiel eine Stärkung der Wirtschaft, um eine Wahl von Donald Trump zu verhindern. Trotz der guten Konjunkturdaten sieht die Welt des "kleinen Mannes", also der ärmeren Bevölkerungsschichten, deutlich schlechter aus als noch vor der großen Inflationswelle.
Entlastung durch niedrigere Zinsen
Die großzügigen Schecks, die während und nach Corona von der Regierung verteilt wurden, sind ausgegeben. Die Inflation hat das real verfügbare Einkommen vieler Menschen geschmälert, die gestiegenen Zinsen haben die Kreditkartenschulden und Autokredite massiv verteuert. Die Ausfallraten für solche Kredite sind in den zurückliegenden Monaten kontinuierlich gestiegen und bewegen sich zum Teil auf einem mehr als zehnjährigen Höchststand. Niedrigere Zinsen würden diese Leute entlasten. Von der Rally an den Aktienmärkten haben sie nichts, weil sie kein Vermögen besitzen.
Auch der US-amerikanische Staat würde sich über niedrigere Zinsen freuen. Die Zeiten solider Haushaltsführung sind spätestens seit der Finanzmarktkrise 2008 vorbei. Anfangs haben die immer weiter fallenden Zinsen die Belastung durch höhere Schulden ausgeglichen. Doch seit der Zinswende 2022 ist damit Schluss. Neue zehnjährige US-Staatsanleihen müssen heute mit einer Rendite von 4,5 Prozent ausgegeben werden. Der durchschnittliche Zinskupon aller US-Staatsanleihen im Markt liegt bei 2,3 Prozent. Das bedeutet, die Regierung muss für die Refinanzierung ihrer Schulden rund zwei Prozentpunkte mehr bezahlen, als sie es aktuell tut.
Bei annähernd 30.000 Milliarden US-Dollar Schulden sind zwei Prozentpunkte höhere Kreditzinsen sehr viel Geld. Dieses Geld fehlt an anderer Stelle oder, wenn es nicht eingespart wird, lässt die Schulden noch schneller steigen als zuvor schon. Der Internationale Währungsfonds erwartet für 2024 ein Defizit im Staatshaushalt der USA von 7,6 Prozent, nach 8,8 Prozent im Vorjahr. Die Prognosen für die nächsten Jahre sehen nicht besser aus. In ein paar Jahren wird die Verschuldung der USA gemessen am BIP das Niveau von Italien erreicht haben.
Aussicht auf Zinssenkungen hat Renditeanstieg gebremst
Den Zwiespalt, den die Notenbanker haben, spiegelt sich auch an den Anleihenmärkten wider, wo die Renditen der langlaufen US-Treasuries seit Jahresanfang um rund einen halben Prozentpunkt gestiegen sind. Ein größer werdendes Angebot (steigende Staatsschulden) trifft auf weniger Nachfrage (Boykott einzelner Schwellenländer wie zum Beispiel China).
Die Aussicht auf Zinssenkungen hat sicherlich den Renditeanstieg gebremst. Sollten diese Hoffnungen aufgegeben werden müssen, weil die Inflation wieder anzieht, könnte ein stärkerer Zinsanstieg die Folge sein. Auch das Risiko eines Käuferstreiks sollten Anleger nicht unterschätzen. So sprach der langjährige CEO der US-Großbank JP Morgan unlängst davon, dass er Pläne in der Schublade habe für einen Zins von acht Prozent. Allerdings habe er auch einen Plan für ein zweiprozentiges Marktzinsniveau. Letzteres dürfte im Fall einer stärkeren Rezession realistisch sein.
Unterm Strich sind die Finanzmärkte aufgrund der weltweit hohen Schuldenstände anfälliger für externe Schocks geworden. Über Jahrzehnte dienten langlaufende Staatsanleihen als Risikopuffer in hektischen Marktphasen, da sie meist von der Flucht der Anleger in sichere Häfen profitieren. Was aber, wenn die Anleihenmärkte der Grund für Turbulenzen sind? Dann hilft diese Strategie auch nicht weiter.
Die 25.000-Euro-Frage
Man kann zwar ein Depot mittels guter Diversifikation quasi wetterfest machen - wenn es regnet, wird es allerdings auch nass werden. Soll heißen, wer sich an den Finanzmärkten engagiert, muss mit Schwankungen leben können, weil sie sich nur bis zu einem gewissen Grad vermeiden lassen. Ein zu sehr auf vermeintliche Sicherheit ausgerichtetes Depot im Wert von beispielsweise 25.000 Euro mit hohem Anleihenanteil riskiert, auf lange Sicht durch Inflation an realer Kaufkraft zu verlieren - oder noch mehr, wenn die Staatsschulden nicht mehr tragfähig sind und umstrukturiert werden müssen. Anleger sollten lieber auf solide Aktien mit soliden Wachstumsaussichten und gesunden Bilanzen setzen. Gold und kurz laufende Anleihen runden das Portfolio ab.
Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
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Quelle: ntv.de