Die 25.000-Euro-Frage Steigende Zinsen fordern ihren Tribut
11.08.2023, 10:30 Uhr Artikel anhören
Wenn die Inflationsrate sich weiter über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed und der EZB bewegen sollte, scheint eine Zinssenkung unwahrscheinlich.
(Foto: Arne Dedert/dpa)
Zuletzt haben sowohl die amerikanische Notenbank Fed als auch die EZB ihre Leitzinsen noch einmal erhöht. Je länger die Zinsen hoch bleiben, umso schwieriger wird es für die Realwirtschaft.
An den Finanzmärkten wird diskutiert, ob es den Notenbanken gelingt, trotz des Kampfes gegen die Inflation, ein "Hard-Landing" zu vermeiden. Der Begriff beschreibt so etwas wie eine Bruchlandung, also eine härtere Rezession. Noch sieht es nach einer soften Landung aus, also einem Rückgang der Inflation bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum. Das gilt vor allem für die USA, wo im Juli die Teuerungsrate nur noch bei 3,2 Prozent lag. Dort ist die Wirtschaft im ersten Quartal um immerhin zwei Prozent gewachsen, im zweiten Quartal wohl ähnlich stark.

Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
Die Weltwirtschaft sendet derzeit allerdings sehr widersprüchliche Signale. Frühindikatoren wie die Indizes der Einkaufsmanager deuten auf einen klaren Abschwung im Industrie- und im Dienstleistungssektor hin. Insbesondere die Auftragseingänge lassen zu wünschen übrig. Zurzeit können die meisten Unternehmen aber noch gut von ihren Auftragsbeständen leben. Dabei handelt es sich jedoch überwiegend um Nachholeffekte der Corona-Pandemie, die langsam an Kraft verlieren dürften.
Deutschland ist wieder der kranke Mann
Auf der anderen Seite beurteilt der Internationale Währungsfonds (IWF) die Aussichten etwas positiver als ein Quartal zuvor und hat seine Prognosen für das globale Wachstum von 2,8 auf drei Prozent angehoben. Für alle Länder (selbst Russland) gehen die Volkswirte von einer positiven Entwicklung in diesem Jahr aus, nur Deutschland soll um 0,3 Prozent schrumpfen, quasi der Geisterfahrer in der Weltwirtschaft.
Dass es in den USA deutlich besser läuft, hängt maßgeblich am Inflation Reduction Act (IRA). Einen solchen Namen für ein Ausgabenprogramm kann sich wohl nur ein Politiker ausdenken. Tatsächlich lockt der IRA mithilfe umfangreicher Subventionen und dazu passenden protektionistischen Regeln mehr und mehr Investitionen in das Land.
Die Kehrseite sind allerdings die rasant steigenden Staatsschulden. Das diesjährige Haushaltsdefizit der USA dürfte satte neun Prozent betragen und wird auch in den kommenden Jahren deutlich über einem gesunden Niveau liegen. Zur Erinnerung: Laut Maastricht-Vertrag darf die Neuverschuldung der Länder der Eurozone eigentlich nur drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. In zwei bis drei Jahren wird die amerikanische Staatsschuldenquote über der von Italien liegen. Das hat alles seinen Preis - den Zins.
Keine Hoffnungen auf Rückkehr zu extrem niedrigen Zinsen
Hohe Schulden waren lange Zeit kein Problem, sorgten doch die Notenbanken für reichlich überschüssige Liquidität und niedrige Zinsen. So ziemlich jedes Unternehmen hatte Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten zu akzeptablen Konditionen. Das gilt heute nicht mehr. Eine Reihe von Zombie-Firmen, die sich in den zurückliegenden Jahren noch über Wasser halten konnten, werden untergehen, weil sie entweder die höheren Zinsen nicht mehr tragen können oder überhaupt keine neuen Finanzmittel geliehen bekommen.
Aber auch Staaten werden über die Zeit mit massiv steigenden Belastungen aufgrund höherer Zinsen zu kämpfen haben. Großbritannien, Italien und die USA sind am stärksten davon betroffen. Denn müssten sie ihre kompletten Schulden morgen refinanzieren, stiege deren Zinsbelastung pro Jahr um einen Betrag, der mehr als zwei Prozent des BIP entspricht. Für die USA entspräche dies rund 500 Milliarden US-Dollar Mehrkosten - pro Jahr wohlgemerkt.
Hoffnungen auf eine Rückkehr zu den extrem niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre dürften vergebens sein. Den Rückgang der Inflationsraten der vergangenen neun Monate ist im Wesentlichen auf Basiseffekte bei den Energiepreisen und der Normalisierung in den Lieferketten zurückzuführen. Die tief hängenden Früchte sind quasi gepflückt. Ab jetzt wird es beschwerlicher. Der Ölpreis notiert bereits wieder über dem Niveau vom Ende des Vorjahres und ist zuletzt wieder gestiegen.
Wenn die Inflationsrate sich weiter über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed und der EZB bewegen sollte, scheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Notenbanken in naher Zukunft ihre Geldpolitik wieder lockern können. Damit bläst den Aktienmärkten ein starker Wind entgegen. Nach der zinsgetriebenen Rally des zurückliegenden Jahrzehnts, wird es mühsamer werden. Positiv ist aber der immer noch große Liquiditätsüberhang, der sich nur allmählich reduziert.
Die 25.000-Euro-Frage
Angesichts des veränderten Umfelds an den Finanzmärkten sollten Anleger besonders stark darauf achten, dass ihre Investments nicht durch steigende Zinsen belastet werden. Solide Bilanzen mit geringer Verschuldung sind erste Wahl bei Aktien und Anleihen. Eine starke Marktposition, die die Weitergabe höherer Kosten an die Endkunden erlaubt, ist ebenfalls ein Muss. Im Portfolio sollten globale Aktien weiterhin den Schwerpunkt darstellen. Bei den Anleihen bieten kürzere Laufzeiten bis zu drei Jahren das bessere Chance/Risiko-Verhältnis. Ergänzend sollten fünf bis zehn Prozent Gold beigemischt werden.
Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der FIDUKA.
Quelle: ntv.de