Atomkraft im Erdbebengebiet Kalifornien USA sorgen sich um Reaktoren
15.03.2011, 14:12 UhrEigentlich sollen in den USA mehr als 30 neue AKW gebaut werden. Nach dem Japan-Beben aber mehren sich selbst bei Befürwortern die Zweifel an der Atom-Renaissance. Besondere Sorge bereiten zwei Meiler in Kalifornien. Sie befinden sich in einem extrem erdbebengefährdeten Gebiet.
Zwei Atomkraftwerke sind in Kalifornien am Netz, sie stehen mitten im Erdbebengebiet und nahe an der Küste. Was, wenn Erdstöße von der Wucht des Bebens in Japan den US-Bundesstaat erschütterten? Harvey Wasserman sieht für diesen Fall schwarz: Erdbeben und Tsunami würden die Reaktoren zerstören, eine radioaktive Wolke weite Teile der USA verstrahlen. Wasserman ist ein bekannter Kernkraft-Gegner, sein Szenario spielt auch mit den Ängsten vor der Atomtechnologie. Doch angesichts der Katastrophe in Japan wachsen in den USA selbst bei einigen Atom-Befürwortern Zweifel am massiven Ausbau der Kernkraft, den Präsident Barack Obama anstrebt.
Der einflussreiche Senator Joe Lieberman forderte, beim Bau neuer Atomkraftwerke auf die "Bremse" zu drücken. Der schwere Unfall in Japan müsse zunächst einmal "verdaut" werden, sagte Lieberman, der in der Vergangenheit die Atomkraft beständig als saubere und sichere Energiequelle verteidigt hatte. Das Weiße Haus blieb seinem Kurs dagegen vorerst treu. Obama sehe die Atomkraft als notwendigen Teil des Energie-Mixes, sagte ein Sprecher. Die Regierung sei aber bereit, von den Ereignissen in Japan "zu lernen".
Kernenergie in den USA auf dem Vormarsch
Wie in Westeuropa feierten Politik und Wirtschaft in den USA die Kernkraft nach dem Zweiten Weltkrieg als Zukunftstechnologie, die den Energiehunger der Konsumgesellschaft stillen sollte. Erstmals wurde 1957 in Kalifornien Atomstrom ins Netz eingespeist, nach und nach entstanden im ganzen Land Kernkraftwerke. Der Reaktorunfall in Three Mile Island 1979 versetzte der US-Atomindustrie dann einen Dämpfer: In der Anlage in Pennsylvania kam es zu einer teilweisen Kernschmelze, 140.000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Seither wurden in den USA keine neuen Reaktoren gebaut, die Laufzeiten bestehender Anlagen jedoch verlängert. Aktuell sind 104 Reaktoren in 65 Atomkraftwerken am Netz, sie produzieren etwa 20 Prozent des Stroms.
Seit einigen Jahren ist die Kernkraft in den USA wieder auf dem Vormarsch. Bereits Obamas Vorgänger George W. Bush forderte 2006 einen "energischen" Ausbau der Technologie, um die Abhängigkeit der USA von Erdöl-Importen zu verringern. Obama machte schließlich den Weg frei für den Neubau von Atomkraftwerken. Insgesamt stellte er 18,5 Milliarden Dollar an Kreditgarantien bereit, um die Kernkraft voranzutreiben - die seine Regierung als klimafreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl betrachtet.
Mehr als 30 AKW geplant
Das der Atomindustrie nahestehende Nuclear Energy Institute hält neue Kernkraftwerke schon alleine wegen des wachsenden Energiebedarfs der USA für unverzichtbar. Die Nachfrage werde bis 2035 um 24 Prozent ansteigen, schreibt die Organisation unter Berufung auf Zahlen des US-Energieministeriums. Derzeit planen Unternehmen den Angaben zufolge den Bau von mehr als 30 neuen AKW.
Kernkraft-Gegner Wasserman hofft, dass die Ereignisse in Japan die Atom-Renaissance vereiteln. Auch Linda Gunter, Gründerin der Anti-Akw-Bewegung Beyond Nuclear, sieht Obamas Pläne nun "ein Stück weit" zurückgeworfen. "Aber alles wird davon abhängen, wie sehr sich die Dinge in Japan verschlimmern." Außerdem sei die Entwicklung der öffentlichen Meinung in den Landstrichen mit Atomkraftwerken unsicher - schließlich sei die Kernenergie dort auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
"Erdbeben und AKW sind keine gute Kombination"
Eines steht für Gunter aber fest: "Erdbeben und Atomkraftwerke sind keine gute Kombination." Sie sei "sehr besorgt" über die Anlagen in Kalifornien, wo sich am San-Andreas-Graben die Pazifische Platte und die Nordamerikanische Platte aneinander reiben. Wasserman macht sich noch größere Sorgen um den New-Madrid-Graben im Mittleren Westen der USA. Dort seien mindestens ein Dutzend Kraftwerke durch Erdbeben gefährdet, sagte er. Und mehrere Anlagen seien von derselben Bauart wie jene Reaktoren im japanischen Fukushima, in denen eine Kernschmelze droht.
Quelle: ntv.de, Gregor Waschinski, AFP