Per Saldo Versalzener Winter
08.01.2010, 14:07 UhrEs ist Winter. Es ist kalt. Und, hoppla, es ist glatt. Offenbar haben wir schon verlernt, wie so ein richtiger Winter aussieht – warum wären wir sonst so überrascht? Die Deutsche Bahn gerät ins Stocken, Autos bleiben liegen und überall wird nach Salz geschrien. Streusalz? Ist das nicht total schädlich und teuer? Ja, genau.
Hochbetrieb in der Salzbranche. Der Heilbronner Streusalzhersteller Südwestdeutsche Salzwerke produziert auf Hochtouren. Keiner soll im Schnee stecken bleiben. Auch bei dem größten europäischen Salzhersteller Esco (European Salt Company), einer K+S-Tochter, wird rund um die Uhr das wertvolle Mineral abgebaut, um die Nachfrage zu bedienen. Gleichzeitig kommen Schreckensmeldungen aus allen Richtungen: Vielen Bundesländern sei angesichts des frühen Wintereinbruchs das Streusalz ausgegangen. Die dramatischen Folgen: Schulen werden geschlossen und im Supermarkt räumen Kunden das Regal mit dem Speisesalz leer.
Nie war es so wertvoll
Der Boom auf das weiße Gold freut die Salzproduzenten und Besitzer von Aktien wie K+S. Bei allen anderen sollte es zumindest für heftiges Stirnrunzeln sorgen. Haben wir nicht alle gelernt, dass Salz auf das Frühstücksei gehört und nicht auf den Bürgersteig? Wenn Salz vielerorts verboten ist, warum knirscht es trotzdem so oft unter den Schuhsohlen? Und was ist mit Alternativen wie Split oder Granulat? Alle guten Vorsätze scheinen im ersten richtigen Schnee seit Jahren zu verwehen. Stattdessen holen wir das Salz tief aus der Erde, um anschließend mit unseren Autos darauf herumfahren können. Das muss selbst eingefleischten Vielfahrern komisch vorkommen.
Dass die Kommunen deutlich weniger Salz horten als früher, liegt meist weniger an deren Umweltbewusstsein sondern vor allem an den klammen Kassen. Vielerorts wird erstmal auf einen milden Winter gehofft – Salz ordern könne man dann ja immer noch. Dass das Salz volkswirtschaftlich gesehen größere Kosten verursacht, wenn man die Schäden an den Bäumen, dem Grundwasser, den Schuhen und den Straßen bis hin zum heimischen Parkett zusammenzählt, taucht in der Kalkulation nicht auf. Ganz abgesehen davon, dass Autofahrer Studien zufolge auf abgetauten Straßen in der Regel deutlich zu schnell fahren.
Vielleicht sollten wir uns zum Nutzen der Umwelt und der Volkswirtschaft an den Ländern orientieren, die bereits etwas mehr Erfahrung mit dem Winter haben. Weil auf nicht behandelten Strecken wesentlich vorsichtiger und einfach auch mal weniger gefahren wird, haben Finnland, die Slowakei und Österreich die Konsequenz gezogen und kommen auf vielen Straßen bereits ohne Salz durch den Winter. In anderen Worten: Wenn es kalt ist, ist es halt glatt.
Quelle: ntv.de