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Das Ende als Anfang - Atemzug für Atemzug"Hours": Paul Walkers bester Film

10.01.2014, 14:10 Uhr
imageVon Thomas Badtke
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"Sie haben es überstanden, wenn sie zu weinen anfängt. Das erste Weinen klingt immer gut", sagt der Arzt. Nolan will das erste Weinen sener Tochter um jeden Preis hören. (Foto: Skip Bolen)

Hurrikan Katrina verwüstet New Orleans - und Nolans Leben gleich mit. Seine Ehefrau stirbt bei der vorzeitigen Geburt seiner Tochter. Das Baby muss maschinell beatmet werden - für 48 Stunden. Dann fällt der Strom aus und Nolan muss sich entscheiden.

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Abigail bekommt Nolans Kind, es kommt aber fünf Wochen zu früh. (Foto: Splendid Film)

"Ist sie ok?" Das ist Nolan Hayes‘ (Paul Walker) erste Frage an Dr. Edmonds. Kurz davor ist Nolans schwangere Frau Abigail (Genesis Rodriguez) ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie hat Schmerzen, der Geburtstermin ist noch fünf Wochen entfernt. "Es ist eine 'sie', wussten sie das?" lautet die ausweichende Antwort Edmonds. "Wusste ich was?", hakt Nolan nach. "Dass sie eine Tochter haben." "Ok. Und, wie geht es Abigail?" Nolans Angst vor der Antwort des Arztes übermannt ihn. "Wir gaben ihr alle Transfusionen, die wir hatten. Wir taten alles, was wir konnten. Ihre Leber hat versagt. Sie ist verblutet. Mr. Hayes, es tut mir leid. Sie starb etwa um 7 Uhr. Tut mir sehr leid."

Nolan vergisst für ein paar Sekunden die Welt um ihn herum. Er hört den tosenden Sturm vor dem Krankenhaus nicht, der sich in den nächsten Stunden noch zu einem Hurrikan mit Spitzengeschwindigkeiten von 280 Stundenkilometern entwickeln wird. Er blendet die Hektik des Krankenhauses, dem eine Evakuierung bevorsteht, aus. Er sieht den Arzt gegenüber, aber dessen Worte scheinen aus dem Nirgendwo zu kommen und ungehört zu verhallen. "Nein, nicht Abi. Nicht meine Abi. Sag mir, dass es ihr gut geht! Ihr geht’s gut, oder? Sag, dass es ihr gut geht! Sag es, verdammt!" "Tut mir leid, Mr. Hayes", sagt Edmonds leise. "Nein, das will ich nicht hören", antwortet Nolan laut. "Mr. Hayes, ich zeige ihnen ihre Tochter." Konsterniert wendet sich Nolan ab, er folgt dem Arzt - kraftlos, gebrochen.

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"Hours" ist auf DVD und Blu-ray bei Splendid erschienen. (Foto: Splendid Film)

"Da ist sie", sagt Edmonds und Nolan hebt den Blick. Er sieht einen Kasten, medizinische Geräte, die piepen und blinken. "Was ist das?", fragt er. Edmonds Antwort versetzt Nolan den nächsten Schock. "Das ist Ihre Tochter. Sie atmet noch nicht eigenständig, daher hilft ihr diese Beatmungsmaschine", erklärt Edmonds, "über diese Infusion bekommt sie alle nötigen Nährstoffe und schon bald wird sie groß und stark sein. Noch irgendwelche Fragen?" "Wie geht es Abigail?", will Nolan verzweifelt wissen.

Walkers unglaubliche One Man Show

Das ist der aufwühlende Beginn von "Hours", einem der letzten Filme des kürzlich verstorbenen Hollywoodstars Paul Walker - und wohl auch sein bester. Die Story ist im New Orleans während des verheerenden Hurrikans Katrina angesiedelt, der Ende August 2005 weite Teile der Stadt dem Erdboden gleichmacht. Aber der Film zeigt nicht die große Katrina-Story, sondern eine kleine Katrina-Geschichte, eine von Tausenden.

In "Hours" geht es um das Schicksal einer Familie, um Liebe, um Kampf, eisernen Willen, um das nackte Überleben und den Einsatz, dafür alles zu geben. Es geht darum, sich selbst für andere aufzuopfern. Es geht um nichts anderes als Menschlichkeit. "Hours" ist damit auch die Geschichte von Paul Walker selbst.

Der Star der "Fast & Furious"-Reihe stirbt am 30. November 2013 bei einem Autounfall. Was folgt, sind Beileidsbekundungen und Anteilnahmen weltweit - von Fans genauso wie von Schauspielkollegen. Sie machen deutlich: Paul Walker war mehr als nur die Filmfigur Brian O’Conner aus der "Fast & Furious"-Actionreihe. "Hours" unterstreicht das eindrucksvoll.

Ein Leben endet, ein neues beginnt

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Immer wieder kurbelt Nolan und hält die kleine Abigail damit am Leben. (Foto: Skip Bolen)

Nolans Tochter, die im weiteren Verlauf des Films den Namen ihrer toten Mutter bekommt, muss 48 Stunden am Beatmungsgerät bleiben. In der Regel stellt das kein Problem dar, aber vor den Türen des Krankenhauses wütet Katrina. Der Strom im Hospital fällt aus, Wasser legt die Notstromgeneratoren lahm. Nolan muss das Beatmungsgerät per Batterie und Hand betreiben. Anfangs reicht es aus, alle drei Minuten ein paar Mal zu kurbeln. Aber die Batterie ist schwach, die Laufzeit verringert sich schnell, fällt auf unter anderthalb Minuten.

Doch es kommt noch schlimmer. Als das Krankenhaus evakuiert wird, kann seine Tochter nicht mit, da die ganzen medizinischen Geräte nicht transportabel sind. Nolan bleibt, besorgt sich Essen aus den Süßigkeitenautomaten, beschafft seiner Tochter weitere Infusionsbeutel. Er versucht nicht einzuschlafen. Redet mit sich, seiner Tochter, seiner toten Frau. Nolan zeigt dem Baby Bilder seiner toten Frau, erzählt ihm die Geschichte, wie sie sich kennengelernt haben, wie sie sich verliebten.

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Nolan tötet, damit seine Tochter leben kann. (Foto: Skip Bolen)

Nolans Kraft lässt mit jeder Stunde, mit jeder Minute nach. Seine Aufmerksamkeit ebenso. Zwei Tage ohne Schlaf, aber dafür immer unter Strom, tut er alles, damit seine Tochter leben kann - auch als Eindringlinge das fast menschenleere Krankenhaus plündern wollen.

"Hours" muss man sehen!

Das alles klingt zu gut für einen Filmstoff? Drehbuchautor und Regisseur Eric Heisserer (Drehbuchautor von "The Thing") ist das zu verdanken. Er las irgendwann in einer Zeitung eine Geschichte über ein paar Ärzte in einem Krankenhaus, die während des Hurrikans Katrina die Geräte auf der Säuglingsstation stundenlang per Hand betreiben mussten und so Dutzende Leben retteten. Spannender und bewegender Filmstoff, dachte Heisserer - und sein Regiedebüt gibt ihm recht.

"Hours" ist ein spannungsgeladener und hervorragend umgesetzter und gespielter Appell an die Menschlichkeit - und auch ein filmisches Denkmal für den Menschen Paul Walker. Die eine oder andere Träne fließt dabei bestimmt. Aber als Zuschauer ist man dabei in guter Gesellschaft: Bevor Edmonds Nolan mit seiner Tochter allein lässt, gibt er ihm noch folgendes mit auf dem Weg: "Sie haben es überstanden, wenn sie zu weinen anfängt. Das erste Weinen klingt immer gut."

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Quelle: ntv.de

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