Dossier

Widerstand gegen Nato-Großoffensive Karsai provoziert den Westen

Ein einfacher Partner war er nie, doch jetzt geht Afghanistans Präsident Hamid Karsai immer mehr auf Konfrontationskurs zum Westen. - Beunruhigend, wie die USA finden.

Karsai distanziert er sich zum zweiten Mal binnen weniger Tag von seinen ausländischen Verbündeten.

Karsai distanziert er sich zum zweiten Mal binnen weniger Tag von seinen ausländischen Verbündeten.

(Foto: REUTERS)

Die Nato muss wegen zunehmender Spannungen mit Afghanistans Präsident Hamid Karsai ernsthafte Konsequenzen für ihre Militärstrategie am Hindukusch befürchten. Karsai drohte auf einem Treffen mit rund 1500 Stammesältesten offen mit Widerstand gegen die anstehende Großoffensive des Militärbündnisses in der Taliban-Hochburg Kandahar. Wie werden die USA reagieren?

"Tit for tat" nennen das die Amerikaner. Wie Du mir, so ich Dir. Immer unverhohlener haben die Amerikaner in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass sie mit Hamid Karsais Regieren nicht zufrieden sind. Jetzt schlägt der Mann aus Kabul zurück. Gleich mit einer ganzen Serie von - kaum verhohlenen - Vorwürfen und Beschuldigungen in Richtung Washington. Die harten Worte fallen ausgerechnet in einer Zeit, in der US-Präsident Barack Obama die Truppen in Kabul weiter aufstockt und sich anschickt, zum entscheidenden Schlag gegen die Taliban auszuholen.

Zunächst hatte Karsai mit heftigen Vorwürfen über angebliche ausländische Wahlmanipulation auf sich aufmerksam gemacht - und mehr als nur Stirnrunzeln in Washington hervorgerufen. Lange nicht mehr reagierte das State Department derart aufgebracht: "Grotesk", meinte ein Sprecher. Mehr nicht. Anschließend sprach Außenminister Hillary Clinton mit Karsai - und die Welt dachte, die Sache sei ausgestanden.

Karsai verwirrt mit bizarren Reden

Die Regierung in Washington bezeichnet Karsais Äußerungen als beunruhigend.

Die Regierung in Washington bezeichnet Karsais Äußerungen als beunruhigend.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Doch statt Ruhe zu bewahren, legte Karsai nach. Diesmal äußerte er sich vor lokalen Stammesführern - wichtige Leute für seinen Machterhalt in Kabul. Zum Staunen von US-Militärs versprach Karsai den Stammesältesten, ohne ihre Einwilligung werde es keine US- geführte Offensive in Kandahar geben. Beobachter in den USA können den starken Worten kaum Glauben schenken. "Will Karsai den Stammeschefs jetzt tatsächlich ein Veto-Recht einräumen?", fragt sich die "New York Times" ungläubig.

Doch auch dabei ließ es Karsai nicht bewenden, nach Angaben des Blattes verstieg er sich gar zu der Drohung, sich selbst den Aufständischen anzuschließen, wenn ausländische Mächte ihn weiterhin kritisieren. "Wenn Ihr und die internationale Gemeinschaft mich noch mehr unter Druck setzt, dann, das schwöre ich Euch, werde ich mich den Taliban anschließen", soll Karsai nach Angaben eines afghanischen Parlamentariers gesagt haben.

USA halten sich zurück

Offiziell hielten sich Washington sowie US-Militärs vor Ort zurück. Hinter vorgehaltener Hand verriet ein US-Militär der "Washington Post" ein vernichtendes Urteil über Karsai: "Der Typ ist sprunghaft und unbeständig, er ist unberechenbar. (...) Ich verstehe ihn einfach nicht".

Zwar sind derartige rhetorischen Attacken Karsais neu - doch die Beziehungen zwischen Kabul und Washington haben sich spätestens seit den reichlich schiefgelaufenen Wahlen im Herbst verschlechtert. Seit langem ist Washington unzufrieden wegen grassierender Korruption, florierenden Opiumanbaus und schlechter Leistungen der Sicherheitskräfte, ziemlich unverhohlen wird Karsai ein Mangel an Durchsetzungswillen und -fähigkeit vorgeworfen, der Wahlbetrug drohte dann das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Erst vor einer Woche war Obama eigens zu einem Überraschungsbesuch in Kabul eingeflogen, um Karsai ins Gebet zu nehmen - doch das Ergebnis ist nicht gerade das, was sich Obama erhofft hatte. "Unser wichtigster Verbündeter kritisiert uns dauernd", meint Hekmat Karsai, Chef des Center for Conflict and Peace Studies in Kabul und zugleich ein Cousin des Präsidenten. "Aber Sie können nicht zu den Afghanen reden als seien sie Kinder oder als würden sie nichts verstehen".

Quelle: ntv.de, Peer Meinert, dpa

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