Dossier

Alles verloren, nichts bekommen Kosovo-Pleite für Serbien

Nach der Unabhängigkeit des Kosovos und der diplomatischen Anerkennung durch immer mehr Staaten macht sich in Serbien Katzenjammer breit. Denn bis zuletzt hatten Politiker und Medien wider besseres Wissen die Illusion am Leben erhalten, am Ende werde die Souveränität der Albaner-Region doch nicht kommen. Die angesehene Zeitung "Politika" hatte kurz zuvor noch berichtet, in den USA sei ein Umdenken der politischen Elite zu beobachten. Nach der Verhandlungspleite steht Serbien jetzt mit leeren Händen da. Im Kosovo hat es alles verloren und als mögliche "Entschädigung" nichts bekommen.

"Alle wussten, dass das früher oder später passieren würde", schrieb der Analytiker Djordje Vukadinovic am Dienstag in Belgrad mit Blick auf die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos am vergangenen Sonntag. Und auch EU-Diplomaten hatten wieder und wieder beteuert: "Wir haben allen serbischen Spitzenpolitikern immer wieder klar gemacht, dass die Selbstständigkeit des Kosovos ganz bestimmt kommen wird." Und doch hatten die serbischen Verhandlungspartner jahrelang immer nur stur ihre Maximalposition gebetsmühlenartig wiederholt, Kosovo dürfe sich nicht abspalten. Was in jedem privaten Streit oder Gerichtsverfahren selbstverständlich ist, wurde auf Belgrader Seite stets ausgeschlossen: Einen Plan B durfte es nicht geben.

Belgrad verzichtete darauf, Kompensationsforderungen für den Verlust des Kosovos zu stellen. Und davon gab es zahlreiche. Serbien hätte auf die Teilung der Provinz hinarbeiten können, wie es selbst der nationalistische Schriftsteller Dobrica Cosic vorgeschlagen hat. Ein schneller EU-Beitritt wäre als "Gegenleistung" ebenso denkbar gewesen wie Milliardenspritzen aus Washington und Brüssel oder die Aufhebung der Visumspflicht für Reisen nach Europa. Schließlich wäre auch ein Gebietstausch mit den Serbengebieten in Bosnien-Herzegowina theoretisch denkbar.

Zuletzt hatten Serbiens Politiker sogar das EU-Angebot eines Annäherungsabkommens brüsk zurückgewiesen. Belgrad ist heute politisch so weit von Brüssel entfernt wie lange nicht. Und die Gewalt gegen ausländische Botschaften und Restaurants sowie albanische Geschäfte in dieser Woche bediente im Ausland mal wieder ein beliebtes Vorurteil, schrieb die angesehene Zeitung "Blic" am Dienstag: "Die Serben wurden einmal mehr als Wilde gezeigt, während aus Pristina Bilder fröhlicher Menschen kamen." Dabei werde die Welt nie erfahren, "dass es sich nur um eine Hand voll Primitivlinge und nicht um das ganze serbische Volk handelte".

Nachdem im Kosovo für Serbien alles verspielt wurde, kann möglicherweise nur noch eine höhere Macht helfen. Mehr als 2000 Studenten hatten sich am Montag in der serbisch-orthodoxen Kathedrale Hl. Sava im Belgrader Zentrum versammelt und einen Bittgottesdienst für Serbisch-Kosovo organisiert.

Von Thomas Brey, dpa

Quelle: ntv.de

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