Dossier

Auf verlorenem Posten? Lila gegen Berlusconi

Der Protest gegen Berlusconi nimmt zu. Mit einer Schlappe bei den Regionalwahlen muss der Premier aber nicht rechnen, denn politisch festlegen will sich "il popolo viola" nicht.

Mit violetten Outfits und Accessoires machen Berlusconi-Gegner auf sich aufmerksam.

Mit violetten Outfits und Accessoires machen Berlusconi-Gegner auf sich aufmerksam.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Dass politischer Protest auch schick aussehen kann, machen die modebewussten Italiener seit einiger Zeit erfolgreich vor. "Il popolo viola" - das lila Volk - nennt sich die Bewegung, die die Piazzen des Landes aus Protest gegen den umstrittenen Premier Silvio Berlusconi immer wieder füllt. Der lila Look ist dabei nicht zufällig. Zunächst hatten sich die Berlusconi-Gegner über die Internet-Plattform Facebook formiert. Im vergangenen Dezember schafften sie dann den Sprung vom Netz auf die Straße. Zu Tausenden forderten sie unter dem Motto "No Berlusconi Day" den Rücktritt des Ministerpräsidenten - und das zumeist lila gekleidet. Diese Farbe sei in Italien nicht politisch einzuordnen, war ihr Argument. Denn den erfolglosen Linksparteien wollte und will "das lila Volk" der "ehrbaren Bürger Italiens" bis heute nicht zugeordnet werden.

Zehntausende gehen auf die Straße

Seitdem gab es zahlreiche violette Anti-Berlusconi-Demos im Land. Auch am Samstag protestierten wieder Zehntausende, und das nicht nur in ganz Italien. Im europäischen Ausland sollte gegen die Regierung des 73-jährigen Medienzars ebenfalls demonstriert werden. Diesmal nahm auch die größte Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) samt ihrem moderaten Parteichef Pierluigi Bersani an den Kundgebungen teil. "Ein anderes Italien ist möglich", tönte Bersani nach Angaben der Organisatoren vor 200.000 Teilnehmern auf der römischen Piazza del Popolo. Bersani - Befürworter einer Politik, die über die bloße Ablehnung Berlusconis hinausgeht - hatte sich bisher einer Teilnahme an den lila Protesten enthalten.

Bersani hofft auf ein "anderes Italien", ...

Bersani hofft auf ein "anderes Italien", ...

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Nur zwei Wochen vor den wichtigen Regionalwahlen Ende März erscheint die Lage für den politischen Tausendsassa Berlusconi ungemütlicher als zuvor. Die letzten Skandale um Wahllisten und Prozesse seien selbst an seinen skandalgewöhnten Wählern nicht völlig spurlos vorbeigegangen, meinte ironisch der konservative Mailänder "Corriere della Sera". Umfragen der vergangenen Tage sagten Berlusconis Partei PdL (Volk der Freiheit) Verluste voraus, jedoch keinen nennenswerten Gewinn für die Opposition. Das spricht für abnehmende Wahlbeteiligung von rechts. "Kein Wunder", kommentieren italienische Medien, kümmere sich die Regierung doch seit Monaten nur um sich selbst.

31. Vertrauensabstimmung seit der Wahl

In der Tat entwirft Berlusconis Team, besonders seit das italienische Verfassungsgericht am 7. Oktober eine auf ihn zugeschnittene Immunität aus dem Gesetz kippte, immer neue Justizgesetze. Erst Mittwochabend schritt der Cavaliere zum 31. Mal seit seiner Wahl 2008 zur Vertrauensabstimmung: So drückte er eine neue Regelung durchs Parlament, mit dem die Prozesse gegen ihn für mindestens ein halbes Jahr ausgesetzt werden können. Die Opposition protestierte, es sei "die alte Immunität unter neuem Deckmantel", und sprach von "einem Cäsaren-Gesetz". Und nicht nur das: Laut italienischen Tageszeitungen vom Freitag hätten gar 17 Prozent der Berlusconi-Wähler nach einem Wahllistendebakel ihre Meinung geändert.

... aber Berlusconi hat mal wieder ein Gesetz zu seinen Gunsten durchgeboxt - trotz eines Sit-in-Protestes im Parlament.

... aber Berlusconi hat mal wieder ein Gesetz zu seinen Gunsten durchgeboxt - trotz eines Sit-in-Protestes im Parlament.

(Foto: dpa)

So drohten ausgerechnet mehrere Wahllisten des rechten Regierungschefs in den beiden wichtigen Regionen Latium und Lombardei nicht zu den Regionalwahlen zugelassen zu werden. Berlusconi konterte zwar in letzter Minute mit einem Eildekret, hatte damit jedoch nur in der Lombardei Erfolg. In Rom und Provinz handelte er sich trotz Dekret eine dreifache Absage der zuständigen Verwaltungsgerichte ein. Die Opposition lief unterdessen Sturm, das "lila Volk" forderte zu Tausenden in spontan organisierten Demos "Gleiches Recht für alle". Die Probleme des Landes kamen in der politischen Diskussion wieder einmal zu kurz.

Und dennoch: Trotz des Frusts rechter Wähler, ausgeschlossener Wahllisten und gut besuchter und gut aussehender lila Proteste muss Berlusconi wohl kaum mit einer ernsten Wahlschlappe rechnen. Denn der offene Protest gegen seine Person hat ihm bisher immer eher genützt als geschadet. Mit seinem bekannten Talent für Wahlkampagnen habe er nun viel mehr erneut Anhängern und Gegnern ihre gewohnten Rollen zugewiesen, nach dem Motto "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich", kommentierte eine Tageszeitung kürzlich. Danach kämpft die Opposition erneut auf dem verlorenen Posten eines schlichten Anti-Berlusconismus, der ihr bisher zu wenig Erfolg verholfen hat. Da ist es kein Wunder, dass sich das "lila Volk" hübsch gekleidet von jeglicher Parteizuordnung fernhält.

Quelle: ntv.de, Katie Kahle, dpa

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