Dossier

"Klarmachen zum Ändern" "Piraten" nehmen Kurs

Der ehemalige SPD-Abgeordnete Jörg Tauss unterstützt die Piratenpartei.

Der ehemalige SPD-Abgeordnete Jörg Tauss unterstützt die Piratenpartei.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Sie haben Großes vor, die "Piraten" in der deutschen Politik. Gleich bei ihrem ersten Antreten zu einer Bundestagswahl will die Piratenpartei im September "in voller Fraktionsstärke" ins Parlament einziehen, also mindestens fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen. Ob sich die junge Partei dabei weiterhin auf ihre Kernthemen Bürgerrechte vor allem im Internet, Verwaltungstransparenz, Datenschutz sowie die Lockerung von Urheber- und Patentrechten konzentriert, oder ob auch Positionen zu weiteren Politikfeldern wie etwa Klimaschutz in das Wahlprogramm Eingang finden, das entscheidet am Wochenende in Hamburg der diesjährige Bundesparteitag.

Rund 300 Mitglieder - die per Satzung "Piraten" heißen - werden erwartet. Mehr fasse das Bürgerhaus in Hamburg-Wilhelmsburg auch gar nicht, sagt Parteivize Jens Seipenbusch. "Wenn sich kurzfristig noch mehr Teilnehmer anmelden, müssen wir eventuell zusätzlich ein Zelt organisieren."

Zuletzt stark gewachsen

Zuletzt sei die Partei stark gewachsen, freut sich Seipenbusch. Seit der Europawahl Anfang Juni habe sich die Zahl der Mitglieder auf mehr als 3200 fast verdreifacht. In Deutschland kam die Partei bei der Wahl zwar nur auf 0,9 Prozent der Stimmen, aber in ihrem Ursprungsland Schweden ergatterte sie mit 7,1 Prozent ein EU-Mandat. Laut Seipenbusch brachte auch das Bundestagsvotum für die Blockade kinderpornografischer Websites den "Piraten" Zulauf. "Das hat viele Leute auf die Palme gebracht."

Die schwedische Piratenpartei um ihren Vorsitzenden Rick Falkvinge ergatterte im Juni ein EU-Mandat.

Die schwedische Piratenpartei um ihren Vorsitzenden Rick Falkvinge ergatterte im Juni ein EU-Mandat.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Piratenpartei bescherte es zudem einen ersten Sitz im Bundestag: Der Abgeordnete Jörg Tauss wertete das Gesetz als Einfallstor für Internetzensur, trat aus Protest aus der SPD aus und unterstützt seither die Piratenpartei. Auf eine neue Bundestagskandidatur verzichtet er jedoch. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt gegen Tauss wegen des Verdachts auf Besitz kinderpornographischen Materials, das außerhalb seines PC gefunden worden sei. Aber auch wenn er nicht wieder antritt, werde Tauss doch dank seiner langjährigen Politikerfahrung den "Piraten" im Wahlkampf sicher noch "den einen oder anderen Vorteil" bringen, sagt Vize Seipenbusch.

"Fernes Ziel" fünf Prozent

Auch den Namen der Partei sieht er als Vorteil, wenngleich der Begriff gerade angesichts jüngster Seeräuber-Angriffe auf Schiffe vor Somalia "durchaus problematisch" sei. Doch er sei "sehr nützlich", weil er neugierig mache. Zudem sei er wichtig für die Identität der in Deutschland seit 2006 aktiven Partei. Der Name Piratenpartei geht zurück auf ein in Schweden gegründetes "Piratenbüro", das sich gegen eine Anti-Raupkopie-Initiative der Musikindustrie richtete. Piraten - das seien Leute, "die sich einmischen, die Macht und Autorität in Frage stellen", sagt Seipenbusch.

Unter dem Motto "Klarmachen zum Ändern" tritt die Partei in beinahe allen Bundesländern zur Wahl an - im Kampf "gegen Überwachung und für die Freiheit des Wissens", wie es auf ihrer Internetseite heißt. Es werde Zeit, "diese fatale Fehlentwicklung umzukehren, dass wir immer mehr Rechte einschränken aus Angst vor Terrorismus und anderen Sachen", sagt Seipenbusch. Vorratsdatenspeicherung oder das BKA-Gesetz sind ihm und seinen Mitstreitern ein Dorn im Auge, ebenso Patente auf Tiere, Pflanzen oder Software sowie Kopierschutz für Musik oder Filme.

Meinungsforscher geben der Piratenpartei allerdings kaum Chancen, im September ihr Europawahl-Ergebnis zu steigern oder gar die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Bei einer "subjektiv wichtigeren Wahl" wie derjenigen zum Bundestag tendierten die Wähler eher zu den etablierten Parteien, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Auch Irina Roth von Infratest dimap hält die Wähler bei Bundestagswahlen für weniger "experimentierfreudig". "Piraten"-Vize Seipenbusch räumt ein, dass fünf Prozent tatsächlich eher ein "fernes Ziel" sein könnten. "Wir entwickeln uns noch weiter. Dann versuchen wir es eben, bei den nächsten Wahlen zu schaffen."

Quelle: ntv.de, Deike Stolz, AFP

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