Moral-Affären in Frankreich Sarkozys politische Basis erschüttert
14.10.2009, 12:37 UhrErst der Sex-Tourismus seines Kulturministers, dann die Blitzkarriere seine Sohnes Jean: "Moral-Affären" erschüttern die politische Basis von Nicolas Sarkozy.
 
  Frankreichs Regierungschef weist die Vorwürfe der Vetternwirtschaft zurück.
(Foto: REUTERS)
Noch vor wenigen Tagen erschien "König Sarko" politisch ohne Konkurrenz und in seiner Machtfülle unantastbar. Jetzt ist der französische Präsident angeschlagen. Wertkonservative Wähler und eigene Parlamentarier gehen auf Distanz und im Internet machen Blogger giftige Späße über den selbst ernannten "Moralisierer von Politik und Wirtschaft". "Die Abgeordneten verlieren den Kompass", klagt die UMP-Abgeordnete Marie-Jo Zimmermann. "Die zweite Hälfte des Mandats wird nicht einfach."
Eine Debatte über die Vertrauenskrise in der Regierungsfraktion wurde von UMP-Fraktionschef Jean-François Copé nach dem ersten Beitrag beendet. Es sei alles gesagt. Genauso entschlossen kehrt die Parteiführung Streitigkeiten über die Abschaffung der Gewerbesteuer oder das Ausufern des Staatsdefizits unter den Teppich. Bisher wagte kaum ein Parlamentarier, sich offen aufzulehnen. Doch jetzt gärt es. "Vorsicht vor den feinen Rissen", mahnt die Abgeordnete Marie-Anne Montchamp. "Das ist wie bei Porzellan. Mit bloßem Auge sieht man sie nicht, aber wenn man zu heißes Wasser einfüllt, zerbricht es."
"Was zuviel ist, ist zuviel"
 
  Die literarisch aufbereiteten Sextourismus-Erlebnisse des Kulturministers haben heftige Debatten ausgelöst.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Am Anfang der Vertrauenskrise stand einer jener "genialen Schachzüge", mit denen Sarkozy mittlerweile selbst im eigenen Lager gefürchtet ist. Der Präsident ernannte Frédéric Mitterrand zum Kulturminister. Das ist ein Neffe des früheren Staatschefs und "Übervaters" der Linken, François Mitterrand. Wie gewünscht stürzte die Opposition in tiefe Verwirrung. Doch auch in der UMP knirschten viele mit den Zähnen, weil wieder einmal keiner der Ihren zum Zuge kam. "Noch eine Öffnung (der Regierung nach links) wird abgelehnt werden", warnte der Abgeordnete François Baroin. "Wir sind zu viele, die meinen: Was zuviel ist, ist zuviel."
Schnell brachte Mitterrand die katholischen Wähler gegen sich auf, weil er distanzlos Freiheit für den Regisseur Roman Polanski forderte. Polanski sitzt wegen sexuellen Missbrauchs einer 13- Jährigen in Schweizer Auslieferungshaft. Dann sorgte Mitterands Beichte von Sexreisen in thailändische Schwulenbordelle für Furore bei den "Werte-Wählern". Diese hatte Sarkozy mit dem Versprechen geködert, den "moralischen Verfall seit 1968" zu stoppen. Plötzlich geizen auch die Ministerkollegen mit Solidaritätsadressen.
Vetternwirtschaft bei den Sarkozys
"Die Mitterrand-Affäre ist zu Ende", dekretiert Premierminister François Fillon. Tatsächlich verschwand sie aus den Medien - aber nur, um der viel größeren Vetternwirtschafts-Affäre um Sarkozys Sohn Jean Platz zu machen. Der 23-jährige Jura-Student soll beim Ausbau des Büroviertels La Defense zu Europas führendem Geschäftszentrum den Vorsitz der Raumordnungsgesellschaft EPAD übernehmen. Es geht um 770 Hektar für einen Wald neuer Hochhäuser. Das Milliardenprojekt wird von Papa Sarkozy als Staatschef vorangetrieben.
Jetzt brechen von allen Seiten so hohe Wogen der Kritik über die Sarkozys hinein, dass der UMP-Abgeordnete Lionel Luca von einem "Tsunami" spricht, der Jean Sarkozys Karriere gefährde. "Bislang hatten wir eine Wahl-Monarchie. Wird sie nun zur Erb-Monarchie?", fragt die Zeitung "Libération". Sarkozy wolle mit Blick auf die Präsidentenwahl 2012 "Hand an den Schatz von La Defense legen, erklärt die Sozialistin Ségoléne Royal.
Angst vor Wählerschwund geht um
In UMP-Kreisen geht jetzt die Befürchtung um, die "nationalen" Wähler wieder an die rechtsradikale Nationale Front zu verlieren und gleichzeitig Katholiken und Liberal-Bürgerliche zu vergraulen. "Der Präsident darf nicht aus den Augen verlieren, dass er seine Mehrheit und seine Wähler behalten muss, wenn er 2012 wiedergewählt werden will", mahnt der Abgeordnete Luca.
Doch die Sarkozys wollen "die Sache bis zu Ende durchziehen". "Ich habe nicht zu warten, sondern Verantwortung zu übernehmen", sagt Jean Sarkozy trotzig. Und sein Vater dozierte vor Schülern: "Heute zählt in Frankreich für den Erfolg nicht, wohl geboren zu sein, sondern hart zu arbeiten und sich mit seinen Studien, seiner Arbeit und seinem Wert bewiesen zu haben." Prompt erntet er dafür Hohn und Spott. Das Oppositionsblatt "Libération" füllte mit dem Zitat am Mittwoch die ganze erste Seite und die Info-Site Rue89 titelt spöttisch: "Nicolas Sarkozy gegen die Ernennung seines Sohnes bei EPAD!"
Quelle: ntv.de, Hans-Hermann Nikolei, dpa
 
   
   
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                             
		                            