Pressestimmen

Hitzechaos bei der Bahn "Bedauerliche Ausnahmen?"

Mal ist es klirrende Kälte, mal sind es sommerliche Rekordtemperaturen: Das Wetter stellt die Deutsche Bahn immer wieder vor große Probleme. Aber das jetzige Hitzechaos offenbart nicht nur ein mangelhaftes Krisenmanagement. Es zeigt auch, welche Prioritäten der Konzern setzt.

In mehreren Zügen hatten die Klimaanlagen versagt. Schülerinnen und Schüler wurden am Bahnsteig behandelt. Neun von ihnen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

In mehreren Zügen hatten die Klimaanlagen versagt. Schülerinnen und Schüler wurden am Bahnsteig behandelt. Neun von ihnen mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

(Foto: dpa)

"Alle reden vom Wetter. Wir nicht", so lautete ein Slogan, der die Deutsche Bahn als "angenehme Allwetter-Alternative zu anderen Verkehrsmitteln" attraktiv machen sollte. Das war 1966. Aber in diesen Tagen erhält der Werbespruch eine ganz besondere Brisanz, finden die Badischen Neusten Nachrichten (Karlsruhe): "Die Bahn muss nämlich dringend über das Wetter reden - und darüber, wie sie in Zukunft gedenkt, mit extremen Temperaturen umzugehen."

"Bedauerliche Ausnahmen?" Die Märkische Oderzeitung hat ein ganz anderes Bild. Zudem gäbe es "nicht wenige Kritiker, die von einem Systemfehler sprechen. In dem Maße nämlich, wie die Bahn sich von einer Behörde in ein Unternehmen verwandelte, sei die Bahntechnik weniger auf Sicherheit und Zuverlässigkeit als auf Kostenminimierung ausgelegt worden. Nun wünscht sich keiner die alte Bahn zurück. Aber es scheint, als kultiviere die neue Bahn aus beiden Epochen vor allem das Schlechte." Das Blatt aus Frankfurt fragt sich, wie es sein kann, "dass ein Zug losfährt, wenn schon bei der Abfahrt klar ist, dass bei fast 40 Grad Außentemperatur die Kühlung nicht funktioniert?" Die einzige Erklärung sei, dass die Sorge nicht dem Kunden, sondern dem Fahrplan gelte, denn "erst als es lebensbedrohlich wurde, zog das Zugpersonal ­ im übertragenen Sinne ­ die Notbremse. Es dauert wohl noch eine Weile, bis die Bahn dahin kommt, wo sie dem Selbstbild nach hin will."

Der Imageschaden für den Konzern ist groß, stellt die Stuttgarter Zeitung fest. Allerdings nicht, weil die Klimaanlagen versagt haben. "Solche Ausfälle werden sich wohl nie zu vertretbaren Kosten ausschließen lassen, auch wenn eine intensivere Wartung etwas hilft." Als "bedenklich" stuft die Zeitung vielmehr das schlechte Krisenmanagement ein. "Erst sind die defekten Wagen bei der Gluthitze offenbar zu lange auf der Schiene gewesen. Dann ließ auch noch die Hilfe für die Passagiere auf sich warten. Die Vorkehrungen für die Ausnahmesituation waren also unzureichend. Die Bahn muss hier etwa durch eine stärkere Schulung der Servicekräfte nacharbeiten."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung analysiert die technische und wirtschaftliche Situation der Bahn: "Dass die Hochtechnologie-Geräte von heute anfälliger sind als früher die Dampfrösser auf Schienen, dürfte der geringste Grund sein. Die Bahn hat die Entwicklung und Erprobung neuer Züge mehr und mehr der Bahnindustrie, also Unternehmen wie Siemens, Alstom und Bombardier überlassen. Dies mag aus guten Gründen geschehen sein; es erhöht allerdings die Zahl der technischen Schnittstellen und die Fehlermöglichkeiten. Über die Qualität der gelieferten Züge wird ständig gezankt. Hinzu kam bei der Bahn ein zunehmender Spardruck, nicht nur wegen des Börsengangs. Auch ohne Privatisierung gilt es, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten; unter solchen Bedingungen wird auch der angemessene Umfang der täglichen Wartung von Fahrzeugen und Infrastruktur zu einer Gratwanderung."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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