Positives Herbstgutachten für 2010 "Rosarote Brille"
15.10.2009, 21:51 Uhr
Die Experten rechnen mit steigenden Arbeitslosenzahlen.
(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)
Das Herbstgutachten der führenden deutschen Wirtschaftsinstitute macht Mut: Deutschland kommt nach Ansicht der Experten schneller aus der Krise als erwartet. Sie rechnen für das kommende Jahr mit einem Wachstum von 1,2 Prozent. Doch die Presse ist misstrauisch: für sie ist die Krise noch längst nicht vorbei.
"Optimisten werden in diesen Tagen sicher mit offenen Armen empfangen", konstatieren die Badische Neuesten Nachrichten. Zugleich verweist das Karlsruher Blatt auf den Fakt, dass die schwerste Krise in der Nachkriegszeit die deutsche Wirtschaft um Jahre zurückgeworfen habe: "Sie ist auf das Niveau von 2005 zurückgefallen. Es wird ein steiniger Weg und lange dauern, bis dieses Niveau wieder erreicht sein wird."
Auch die Frankfurter Rundschau sieht das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: "Können wir die Krise endgültig abhaken?", fragt das Blatt angesichts der offenbar guten Nachricht und resümiert: "Der Blick auf die Finanzmärkte legt dies nahe: die Party dort scheint immer großartiger zu werden. Gestützt wird die Rallye von guten Nachrichten. Unternehmen und Banken verdienen wieder prächtig. Die Konjunkturexperten erklären die Rezession für beendet und erhöhen in schöner Regelmäßigkeit ihre Prognosen für das nächste Jahr." Das Blatt hakt nach: "Ist also alles gut? Nein. Es ist überhaupt nichts gut. Die schwerkranke Weltwirtschaft wird mühsam mit Spritzen am Leben gehalten. Dass die Aktienmärkte derart ausgelassen feiern, lässt nur einen Schluss zu: Die spinnen, die Börsianer! Und doch sollte man sie nicht beschimpfen. Denn für die Realwirtschaft, für Unternehmen und Banken ist es ein Segen, dass die Stimmung an den Märkten so euphorisch ist."
Keinen Grund abzuheben sieht auch der Express aus Köln: "Der finanzielle Spielraum vieler Firmen bleibt nach wie vor angespannt ebenso wie der Arbeitsmarkt. Und es wird noch lange dauern, bis sich unsere Wirtschaft von den Spätfolgen der Krise wirklich erholt hat", heißt es hier. Deshalb gelte auch für die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung: "Große Sprünge werden nicht drin sein. Was immer an Entlastungen für Steuerzahler und Firmen beschlossen werden sollte, es wird an anderer Stelle wieder eingespart werden müssen. Denn von Steuersenkungen auf Pump hätten die Bürger am Ende nichts. Diese dürfen sie am Ende doppelt und dreifach durch höhere Abgaben selbst bezahlen".
Der Mannheimer Morgen erachtet den prognostizierten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts aus mehreren Gründen als "erstaunlich" und spricht von einer "rosaroten Brille", denn: "Die wichtigste Frage, wer die Kehrtwende von einer Fünf-Prozent-Rezession in diesem Jahr zu einem 1,2-Prozent-Wachstum im kommenden herbeizaubern soll, bleibt offen. So gesehen sind die 1,2 Prozent plus, die sich die Regierungskoalition sicherlich gerne zu eigen macht, bisher nicht mehr als ein Versprechen".
Bezug nehmend auf die Steuersenkungsdebatte in den Koalitionsverhandlungen meint die Thüringer Allgemeine aus Erfurt: "Das Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher kommt genau rechtzeitig. Bevor sich Union und Liberale heute in Klausur über ihre Regierungsvorhaben begeben, hören sie den Appell, nicht auf Pump die Steuern zu senken. Wer hätte es nicht gern, wenn die Abgaben sinken. Doch darf dies nicht dazu führen, dass noch höhere Belastungen in die Zukunft verschoben werden."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de