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Sonderabgabe für Autofahrer"Torsten Albig hat Mumm"

22.04.2014, 20:14 Uhr

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig fordert eine Sonderabgabe von Autofahrern für den Straßenunterhalt und stößt damit nicht nur in der Politik auf Widerstand. Auch die deutsche Presse bewertet den Vorstoß überwiegend negativ.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig fordert eine Sonderabgabe von Autofahrern für den Straßenunterhalt in Höhe von 100 Euro und stößt damit nicht nur beim politischen Gegner auf massiven Widerstand. Auch die deutsche Presse bewertet den Vorstoß überwiegend negativ. Doch auch Mut wird Albig attestiert.

"Da kommen zwei Nachrichten zusammen, die so gar nicht miteinander harmonieren wollen'", schreibt die Pforzheimer Zeitung. Zum einen fordere Albig "eine Sonderabgabe zur Sanierung des maroden Straßenverkehrsnetzes", zum anderen werde bekannt, "dass die Steuereinnahmen in schwindelerregende Höhen steigen". Das sei so nicht hinnehmbar: "Wer - zu Recht - findet, dass eine funktionierende Infrastruktur hohe Priorität genießt, muss eben anderswo sparen. Und wer die Freude hat, Rekordeinnahmen zu vermelden, sollte über weitere Abgaben gar nicht erst nachdenken. Das ist nicht nur fantasielos, sondern unverschämt."

Die Nürnberger Nachrichten konstatieren, Albig habe mit seiner Forderung nach einer Sonderabgabe einen "wunden Punkt der deutschen Politik" getroffen: "Das Land investiert zu wenig in seine Zukunft - und dazu gehören nun mal eine funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur ebenso wie gut ausgestattete Schulen und Universitäten." Ein Industriestaat könne sich diesen Zustand nicht leisten. Deutschland könne sich hingegen sehr wohl leisten, solche Investitionen durch massives Umschichten zu erbringen: "Nicht mit neuen Abgaben: Die Steuereinnahmen sprudeln kräftiger denn je, dem Land fehlt es nicht an Geld. Aber Deutschland hat ein Problem damit, was es aus seinem Wohlstand macht: Es verteilt ihn ungleich und ungerecht, weil Vermögensbesitzer weit mehr von Zuwächsen profitieren als Arbeitnehmer. Umsteuern wäre nötig - für eine gerechtere Zukunft."

"Der Staat hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem", kommentiert auch das Straubinger Tagblatt. Geld sei in "Hülle und Fülle" vorhanden. Auf die Frage, warum es nicht für Investitionen in die Infrastruktur reiche, antwortet das Blatt: "Es liegt am politischen Gestaltungswillen, an den Prioritäten, die eine Finanzpolitik setzen muss, um den Anforderungen einer Industrienation gerecht zu werden. Und eben an diesem Punkt hapert es gewaltig."

"Das Osterei aus Kiel ist ein weiterer Beleg dafür, dass etwas grundfalsch läuft in diesem Land", echauffiert sich der General-Anzeiger. Hauptaufgaben blieben liegen, während Zweitrangiges finanziert werde. Der Wähler, so die Zeitung weiter, ließe sich das gefallen: "Ist so satt und selbstzufrieden wie die ihn Regierenden. Die Zustimmungsquoten zu dieser Form von Gefälligkeitspolitik sind so hoch wie lange nicht mehr." Davon unbeeindruckt diagnostiziert das Blatt abschließend: "Da ist der Wurm drin! Made in Germany, wenn man so will."

Die Landeszeitung aus Lüneburg hingegen findet auch lobende Worte für den Kieler Ministerpräsidenten: "Torsten Albig hat Mumm, sonst hätte er sich wohl kaum mit der Autofahrerlobby angelegt." Das Glück werde ihm jedoch höchstwahrscheinlich im Stich lassen: "Denn wer in Zeiten sprudelnder Steuerquellen und hoher Lebenshaltungskosten jedem Autofahrer einen Hundert-Euro-Schein aus der Tasche ziehen will, steht auf verlorenem Posten." Dennoch würden es sich diejenigen zu einfach machen, die dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten bloß Instinktlosigkeit vorwerfen: "Dazu ist Albigs Mut zu beachtlich, auf die oft ausgeblendete, marode Infrastruktur hingewiesen zu haben." Die bessere Lösung wäre allerdings, so das Blatt abschließend, "eine EU-weit einheitliche Maut" für Lkw- und Pkw-Fahrer, "wie EU-Kommissar Oettinger sie fordert."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg

Quelle: ntv.de