Ratgeber Bauen & Wohnen vom 12.3.2013 (Wdh. 13.03.) Werkstoffsammlungen zum Anfassen
12.03.2013, 18:30 Uhr
Wie entdeckt ein Architekt eine ungewöhnliche Fassadenverkleidung oder einen besonderen Fußbodenbelag? Wo findet ein Designer zeitgemäße Werkstoffe, die für seine Möbelentwürfe die richtigen Eigenschaften mitbringen? Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er kämpft sich selbst stundenlang durch die Musterbücher der Hersteller oder zweite Variante: Er nimmt den Dienst einer Materialsammlung in Anspruch. Was das genau ist, wie sie funktioniert und welche Dienstleistung sie bietet, das haben wir uns in Stuttgart angeschaut.
Für die Gestaltung seiner Praxis wünschte sich Hautarzt Dr. Dzingel helle Räume mit wohnlichem Ambiente. Er engagierte die Architekten Myriam Kunz und Dennis Mueller. Sie machten das Thema Haut zum Gestaltungsmerkmal und ließen es als geometrisches Muster per CNC in die Wandverkleidung einfräsen. Hinter der edlen Optik verbirgt sich ein denkbar einfaches Material, wie Dennis Müller erklärt: "Das ist ein relativ günstiger Baustoff. Eine Dreischichtplatte aus Fichte, die recht rustikal wirkt, einfach diese Maserung hat von diesen Ästen und eine starke Struktur. Wenn man das ganze aber mit so einem transparenten Lack überzieht, dann hat man schon mal diese sehr homogene Oberfläche. Und dann letztendlich dieses Thema Hautstruktur, Hautzellen, wurde dann in dem Fall überlagert, indem wir hier nochmal Fräsungen in dieses Holz rein gemacht haben."
Materialsuche leicht gemacht
Die Architekten haben sich bei der Materialsuche beraten lassen. Seit einigen Jahren gibt es nämlich so genannte Werkstoffsammlungen, die diesen Service für professionelle Anwender anbieten. Die Agentur Raumprobe in Stuttgart z.B. eine Materialbibliothek zum Anfassen. Der Showroom ist eine wahre Schatzkammer. Hier liegen thematisch geordnet tausende von Mustern aus. Architekt Joachim Stumpp ist Mitbegründer der Agentur. Vor acht Jahren hat er umgesattelt, eigentlich aus eigenem Bedarf heraus, wie er erläutert: "Man hat das Projekt geplant, das Projekt steht größtenteils, und dann überlegt man eben, welche Oberflächen kommen zum Einsatz. Und es ist immer ein großer Aufwand zu recherchieren, online, Termine machen mit Herstellern. Und das war so die Intention zu sagen, warum gibt es da keine Dienstleistung, warum bieten wir die Dienstleistung nicht an."
Eine Flaniermeile durch die Materialwelten. Die Kunden bekommen nicht nur Ideen für die Anwendungsvielfalt von Werkstoffen, sondern auch Informationen über Hersteller und Bearbeitungsmöglichkeiten: "Wir beschäftigen uns inzwischen auch viel mit Materialverfahren, Herstellungsverfahren, wie können Materialien veredelt werden oder weiterbearbeitet werden, individualisiert werden vor allen Dingen...", so Joachim Stumpp weiter.
Dank Veredelung hat beim Projekt Hautarztpraxis hat das schlichte Holz am meisten überzeugt, erklärt Architektin Myriam Kunz: "Weil einfach der natürliche Charakter schön ist, altert schön, bekommt eine Patina und auch diese Analogie von kleinen Flecken, die man auf der Haut hat und die in Ästen da auch sichtbar sind, das fanden wir einfach am besten."
Ortswechsel. Die Altbauwohnung von Architekt Dennis Mueller und seiner Frau. Auch hier wurden mit einfachen Materialien stimmige Räume geschaffen. Den schönen historischen Terrazzoboden im Bad ergänzte er mit farblich passenden Steinzeugfliesen. Auch dafür fragte Dennis Mueller bei der Raumprobe an: "Wir suchen Steinzeugfliesen, wir suchen Fliesen, die vielleicht mit dem Zuschlag von Terrazzo zusammen gehen, und dass man dann sagt, da gibt es die und die Hersteller, und dass man dann eine große Bandbreite hat, weil letztendlich hilft es dann nur, diese ganzen Möglichkeiten vor Ort auch hinzulegen und sich einmal anzuschauen und zu gucken, was geht denn mit dem Boden."
Die Gestaltung des mobilen Shops eines Designerlabels war für Architektin Jana Lukas eine besondere Herausforderung. Die Einrichtung sollte wertig aussehen, aber gleichzeitig den Anforderung eines mobilen Stores gerecht werden, wie sie erläutert: "Die Materialien mussten sehr robust sein, gleichzeitig leicht, weil wir für den Aufbau kein schweres Gerät zur Verfügung haben. Aber es sollte eben auch nicht nach mobilem Store aussehen. Der Fußboden durfte nur wenige Millimeter dick sein. Darum kein Holz, sondern eine robuste Vinyldiele mit der Optik von Echtholz.
Vorteile einer Materialsammlung
Die Vorteile der Materialsammlung liegen für Jana Lukas auf der Hand: "Ich hab halt einfach einen schnellen Überblick, spare wahnsinnig viel Zeit, und hab trotzdem das breite Spektrum. Auch wenn wir Architekten natürlich immer sehr viel Kenntnis über verschiedene Bereiche haben, sind wir bei weitem nicht allwissend."
Und wie finanziert sich die Materialsammlung? Besuch und Beratung vor Ort ist kostenpflichtig. Der Beitrag für eine Jahresmitgliedschaft ist überschaubar und macht 69 Euro. Im Wesentlichen aber finanziert sich die Sammlung durch Hersteller : "Wir finanzieren uns wie eine Messegesellschaft, d.h. ein Hersteller kann sich bei uns einmieten. Das ist im Grunde kein Geheimnis, weil wir helfen dem Hersteller aktiv, Kontakt zum Architekten zu bekommen und alle haben eigentlich was davon. Es ist ein win-win-Konzept. ", so Joachim Stumpp von raumPROBE.
Die Online-Datenbank von raumPROBE übrigens für jeden zugänglich. Kostenfrei.
Quelle: ntv.de