Inside Wall Street Ärger zwischen Shirt und Schlips
26.06.2013, 06:34 Uhr
Eine Modeladen von Abercrombie & Fitch in New York.
(Foto: REUTERS)
Ein überbezahlter Chef macht auf Schulhof-Bully, eine Billigkette beutet Behinderte aus, und ein Schlipsträger wird von dem Laden gefeuert, den er einst selbst gründete … in der US-amerikanischen Modebranche ist der Teufel los. Es geht um Ego und Geld – und auch an der Börse nimmt man Notiz.
Gründlich daneben gegangen ist die Unternehmensphilosophie von Abercrombie & Fitch. Die Modekette, deren Shirts so lumpig wie teuer sind, war lange der Renner unter US-amerikanischen Teenagern – unter europäischen auch, zumal es auf dem alten Kontinent jahrelang keine eigenen Läden gab. Umso eifriger rannten junge Touris aus Europa in die holzvertäfelten und stockfinsteren Läden, genossen laute Technobeats und dicke Parfümwolken - doch seit einiger Zeit ist es mit dem Charme vorbei.
Cool ist eben nur, was sich nicht allzu sehr bemüht – das hätte man Abercrombie-CEO Mike Jeffries einmal sagen sollen. Jeffries erklärte in einem Interview ganz deutlich, dass es in jeder Schule "coole und weniger coole Kids" gebe, und dass seine Marke eben "die Coolen" ansprechen wollte. Man sei nicht an Kids interessiert, "die nicht dazugehören." Dicke Kids, etwa. Jeffries Vorgabe in der Damenabteilung: Größe XL gibt es nicht – die Marke soll nur von attraktiven Kunden getragen werden. Der Schuss ging gewaltig nach hinten los. Ein Aktivist in Los Angeles sammelte kistenweise Abercrombie-Shirts, um sie auf der Obdachlosen-Meile "Skid Row" zu verteilen. Er hatte die Lacher auf seiner Seite und Abercrombie einen satten Imageverlust. Die offene Arroganz des CEO kostete die Aktie in den letzten vier Wochen fast 20 Prozent.
Jeffries selbst bekam jetzt den Ärger der Aktionäre zu spüren. Die stimmten bei der jüngsten Generalversammlung mit 75 Prozent gegen das Gehaltspaket für den Boss, der mit einem Jahressalär von 41,8 Millionen immerhin das zweithöchste Gehalt in der aktuellen Bloomberg-Liste einfahren sollte. Er wird es wahrscheinlich trotzdem tun, denn das Votum der Aktionäre ist bei Abercrombie & Fitch nicht bindend – man steht offenbar über der Meinung der Anleger, die wohl nicht cool genug sind.
22 Cent Stundenlohn
Vom höchsten zum niedrigsten Gehalt: die Secondhand-Kette Goodwill ist in einen handfesten Skandal verwickelt. Es mag schon unangemessen scheinen, dass CEO Jim Gibbons auf ein Salär von 729.000 Dollar kommt – immerhin ist die Kette ein Pendant zur Heilsarmee und verkauft in ihren Läden billig Kleidung und Spielsachen, die aus der Bevölkerung gespendet werden. Noch schlimmer aber als das satte Gehalt für den Chef: in zahlreichen Läden lässt man Behinderte für einen Stundenlohn von 22 Cent arbeiten. Möglich macht es ein altes Gesetz von 1938, das Arbeitgebern bei der Einstellung von Behinderten erlaubt, den gesetzlichen Mindestlohn zu ignorieren – der ist bei knapp über 7 Dollar schon niedrig, doch ein Stundenlohn im Penny-Bereich ist Ausbeutung.
Gründer muss gehen
Um Größenwahn geht es hingegen bei "Men's Wearhouse". Die beliebte Anzugkette, die auch einen kleinen Laden in unmittelbarer Nähe zur Wall Street betreibt und Maßgeschneidertes auch für Anleger bereit hält, denen der Nachbar Brooks Brothers zu teuer ist, hat sich eben von Unternehmensgründer George Zimmer getrennt. Das ist umso erstaunlicher, als Zimmer bis vor kurzem auch das Gesicht des Unternehmens nach außen war und in der Fernsehwerbung der Kette auftrat. "Sie werden Ihren neuen Look mögen", versichert Zimmer in den bekannten Spots. "Ich garantiere es." – Seinen Vorstandsmitgliedern garantierte Zimmer hingegen vor allem ewige Nörgeleien. Mit einem Aktienanteil von 3,4 Prozent eigentlich nur Mini-Aktionär, spielte sich Zimmer regelmäßig zum Über-Chef auf, versuchte wichtige Entscheidungen im Unternehmen zu verhindern, legte ein nie erteiltes Veto ein. Jetzt platzte den Kollegen der Kragen: Zimmer ist draußen.
Und draußen ist auch einer seiner wohlhabenderen Kunden: Megadeth-Sänger Dave Mustaine, selbst nicht unbedingt als Anzugträger bekannt, schimpfte gerade öffentlich über "Men´s Wearhouse", man hätte seinem Tourmanager einen bestellten und vorab bezahlten Geschenkgutschein nicht zugeschickt. Auf Facebook entrüstete sich der Heavymetal-Mann, und schickte seine Fans zur Konkurrenz: Die sollten künftig, wenn sie einen Anzug bräuchten, bei Jos A. Banks einkaufen. Das wiederum interessierte an der Wall Street nicht. Als Modekritiker und Einkaufsführer für elegante Herren nimmt man den Mann von Megadeth wohl nicht ernst.
Quelle: ntv.de