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Frage & Antwort, Nr. 50Sollen Kinder an Weihnachtsmann glauben?

16.12.2008, 08:40 Uhr
imagevon Hubertus Volmer

Die meisten kleinen Kinder glauben an den Weihnachtsmann. Sollten Eltern ihre Kinder in dem Glauben bestärken oder ihnen die Wahrheit sagen?

Meine Tochter ist fünf und glaubt an den Weihnachtsmann. Alle Jahre wieder habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr nicht die Wahrheit sage. Auf der anderen Seite hat sie viel Vergnügen am Weihnachtsmann. Ist es für Kinder gut oder schlecht, an den Weihnachtsmann zu glauben? (fragt Jutta M. aus Jena)

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die meisten Kinder glauben an den Weihnachtsmann oder an seine Kollegin, das Christkind. Die meisten Eltern finden das auch in Ordnung: Eine Emnid-Umfrage ergab, dass nur 19 Prozent der Eltern in Deutschland nicht damit einverstanden sind, Kinder an den Weihnachtsmann glauben zu lassen.

"Der Glaube an den Weihnachtsmann gehört zu unserer Kultur einfach dazu", sagt die Psychologin Felicitas Heyne. "Weihnachtsmann, Nikolaus und Christkind vermitteln auf kindgerechte Weise bestimmte Wahrheiten, moralische Werte, Leitlinien." Der Weihnachtsmann sei eine Instanz, mit der das Kind lernen könne, "dass es nicht egal ist, wie es sich verhält, dass es so etwas gibt wie Gut und Böse, Richtig und Falsch".

Dabei ist es absolut in Ordnung, wenn der Weihnachtsmann Fehler der Kinder anspreche. "Konsequenzen für nicht wünschenswertes Verhalten sind durchaus angebracht. Natürlich keine Rute. Aber wenn ein Kind seine kleine Schwester verdrischt, ist es nicht unangemessen, mit Belohnungsentzug zu drohen." Wenn Eltern sagen: "Ich weiß nicht, ob der Weihnachtsmann auch Kindern Geschenke bringt, die ihr Schwesterchen verhauen ...", sei das nicht schwarze Pädagogik, sondern ganz normale Erziehung.

Wichtiger noch ist der Weihnachtsmann jedoch als Vertreter der "guten Mächte", die über das Kind wachen, die dafür sorgen, dass alles gut wird, betont Felicitas Heyne. "Das sind Grundinformationen, die jedes Kind braucht. Dafür gibt es die Märchen, die Geschichten von Benjamin Blümchen oder Harry Potter - Geschichten, in denen es letztlich immer darum geht, dass jemand in Gefahr gerät, aber daraus gerettet wird, weil er von einer höheren Macht beschützt wird."

Kinder brauchen Fantasie

Aber gibt es nicht einen Unterschied zwischen der Fiktion von Märchen und Romanen und dem Mythos Weihnachtsmann? Nicht für Kinder, sagt Felicitas Heyne. Und auch für viele Erwachsene nicht: In den achtziger Jahren hielten zahlreiche Fernsehzuschauer Klausjürgen Wussow für "Professor Brinkmann". Was bei Erwachsenen ein wenig seltsam anmutet, ist für Kinder kein Problem.

Kinder brauchen Fantasie. Das sieht man nicht zuletzt daran, dass kleine Kinder sich mitunter regelrecht weigern, ihren Glauben an den Weihnachtsmann aufzugeben. Selbst Kinder, die den Weihnachtsmann bereits als Onkel oder Nachbarn entlarvt haben, sind im Jahr darauf möglicherweise wieder vollkommen davon überzeugt, dass die Geschenke doch vom Weihnachtsmann kommen. "Das zeigt, dass Kinder an den Weihnachtsmann glauben wollen", erläutert Felicitas Heyne. Kinder haben keine Probleme damit, gewisse Widersprüche auszuhalten, weil der Weihnachtsmann in der Vorstellungswelt der Kinder Teil der "guten Mächte" ist. "Die wichtigste Inkarnation dieser 'guten Mächte' sind letztlich die Eltern." So gesehen ist der Weihnachtsmann nichts anderes als ein Stellvertreter von Mama und Papa.

"Oh, schade"

Für die meisten Kinder ist es kein Schock, wenn sie erfahren, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Es sei, so Felicitas Heyne, eher ein Gefühl von "Oh, schade", das jedoch schnell durch das Triumphgefühl aufgewogen werde, hinter ein Geheimnis der Erwachsenen gekommen zu sein. Mütter und Väter müssen nicht befürchten, Glaubwürdigkeit zu verlieren: "Kinder spüren ganz schnell, dass die Eltern sie nicht 'angelogen' haben, sondern ihnen eine schöne Erfahrung vermitteln wollten."

Eine Altersbeschränkung für den Glauben an den Weihnachtsmann gibt es nicht. "Kinder kommen dahinter, wenn sie so weit sind. Eltern können ihren Kindern dabei vertrauen und ihnen diesen Prozess überlassen." Normalerweise passiere das, wenn die Kinder in die Schule kommen. Wenn ein älteres Kind noch an den Weihnachtsmann glaube, sei das kein Grund zur Besorgnis, sondern vermutlich ein Zeichen für eine lebhafte Fantasie. "Ich würde vielleicht mal vorsichtig nachfragen, was die Freunde so über den Weihnachtsmann sagen - aber nur um sicherzustellen, dass das Kind nicht gehänselt wird", rät die Psychologin.

Eltern sollten genau hinhören, wenn ihr Kind sie fragt, ob es den Weihnachtsmann tatsächlich gibt. Klingt starke Skepsis durch, sollte man mit der Wahrheit rausrücken: "Du hast es also rausgefunden, ist ja toll, erzähl mal!" Ein Kind das fragt: "Den Weihnachtsmann gibt es doch, oder?", wünscht sich jedoch Bestätigung.