Vampir-Epos mit Gemma Arterton und Saoirse RonanAuf morbide Art sexy - "Byzantium"

Eleanore und Clara sind über 200 Jahre alt und ständig auf der Flucht, damit ihr blutiges Geheimnis bewahrt bleibt. Clara versorgt ihre Tochter, indem sie es Männern besorgt. In einem verschlafenen Küstenstädtchen müssen sie sich ihrer Vergangenheit stellen, die Bruderschaft ist ihnen auf den Fersen.
Vampirfilme haben seit ein paar Jahren Hochkonjunktur. Dabei steht nicht mehr das klassische Thema des Blutsaugens im Vordergrund, sondern das Leben der Vampire - unter den Menschen. Die "Blade"-Trilogie und die "Underworld"-Reihe sprechen dabei eher Männer an, die "Twilight"-Serie zielt dagegen auf Frauen - und auf die Jugend. Allen dreien ist aber eines gemeinsam: Sie sind auf Massentauglichkeit ausgelegt. Das Wort Arthouse ist ihnen fremd. Mit "Byzantium" erscheint ein Film auf DVD und Blu-ray, der dagegen alles in sich vereint: Er spricht das Arthouse-Publikum genauso an wie die breite Masse der Vampirfans. Er vermag es, Frauen und Männer gleichermaßen zu faszinieren.
"Byzantium" erzählt die Geschichte der beiden weiblichen Vampire Eleanore (Saoirse Ronan; "Abbitte", "Wer ist Hanna?") und Clara (Gemma Arterton; "Hänsel und Gretel", "Kampf der Titanen"). Beide sind bereits mehr als 200 Jahre alt, ihr Erscheinungsbild ist aber das einer jungen Mutter (Clara) und ihrer Teenie-Tochter (Ella). Sie ziehen durch die Welt und versuchen, nicht entdeckt zu werden und damit am Leben zu bleiben. Clara - ganz Mutter - hat nur das Wohlergehen ihrer Tochter im Sinn. Sie verdient ihrer beider Lebensunterhalt als Hure. Das kann sie am besten, schon allein deshalb, weil sie seit Jahrhunderten nichts anders macht. Kommt dabei ein Mann ums Leben, bereitet ihr das keinerlei Kopfzerbrechen.
Ella dagegen scheint die Pubertät voll auszukosten und begehrt auf. Sie will nicht mehr als Vampir leben, hat es satt, sich immer zu verstecken und ihre Lebensgeschichte geheim zu halten. Sie tötet Menschen nur, wenn sie bereits dafür sind und mit ihrem Leben abgeschlossen haben. Aber selbst das, bereitet ihr kein Vergnügen. Mehr Spaß machen ihr da schon die schönen Künste. Ihr Klavierspiel hat sie in den letzten 200 Jahren perfektioniert - und auch das Schreiben bereitet ihr großes Vergnügen.
Neuer Ort, alte Probleme
Eleanore erinnert sich deshalb an die Worte eines alten Mannes: "Menschen müssen Geschichten erzählen. Das ist etwas Wesentliches, etwas Verbindendes. Erst durch Geschichten sind wir in der Lage, uns selbst zu verstehen." Sie beginnt damit, ihre Lebensgeschichte niederzuschreiben. Sie verfasst kleine Episoden, immer auf einzelnen Blättern, die sie dann völlig unwillkürlich in der Öffentlichkeit verstreut. Das ist ihre Art, mit ihrer Vergangenheit klarzukommen. In jedem Ort das gleiche Prozedere.
Als Clara und Ella in einem kleinen englischen Seebad landen und Unterschlupf im alten Hotel Byzantium finden, beginnt der Alltag von Neuem: Clara macht aus dem heruntergekommenen Hotel einen Puff, Ella vertreibt sich ihre Zeit an der Strandpromenade, lauscht den Wellen, hängt ihren Gedanken nach, treibt so durch die Zeit, durch die Jahrhunderte.
Während Clara aber im hier und jetzt lebt, offenbart sich Ella plötzlich eine Zukunft, als sie den jungen Frank (Caleb Landry Jones) kennenlernt - und sich verliebt. Ella erzählt ihm ihr Geheimnis und hofft, dass Clara nicht dahinterkommt - denn sie tötet jeden, der ihnen auf der Spur ist.
Und das sind plötzlich eine ganze Menge: Ella hat ihre Lebensbeichte als Schulaufsatz verfasst, der Lehrer schaltet die Behörden ein. Aber nicht nur das Schulamt ist alarmiert, eine geheime Bruderschaft, bestens verzweigt bis ganz nach oben, bekommt ebenso Wind von Ellas Geschichte. Die Mitglieder der Bruderschaft, allesamt männliche Vampire, wollen endlich einen Fehler ausmerzen, den sie vor mehr als zwei Jahrhunderten begangen haben - als einer aus ihrer Mitte Clara aus Liebe gestattet, ein Vampir zu werden. Ein blutiges Schicksal nimmt seinen Lauf.
Arthouse für die breite Masse
Bereits an der Story wird deutlich, dass auch "Byzantium" kein althergebrachter, klassischer Vampirfilm ist. Action gibt es nur in der letzten Viertelstunde des Films. Davor baut Regisseur Neil Jordan ("Interview mit einem Vampir") langsam und bedächtig zwar, aber gekonnt und mit wunderschönen Bildern sowie klaren Dialogen eine verschachtelte Geschichte auf, in deren Mittelpunkt eine Mutter-Tochter-Auseinandersetzung steht. Deren Beginn liegt mehr als 200 Jahre zurück, beginnt in Kriegszeiten und setzt sich bis in die heutige Zeit fort.
Die ruhige Erzählweise der Story und ihre zurückhaltende musikalische Umrahmung mit klassischen Klavierstücken verschafft den beiden Hauptdarstellern die nötigen Freiräume, ihr schauspielerisches Können zu offenbaren. Gemma Arterton - wie immer wunderschön - wird dabei von der jungen Saoirse Ronan an die Wand gespielt. Ihre kühl anmutende Ausstrahlung kann über ihr natürliches Charisma nicht hinwegtäuschen. Der Cineast erkennt sofort, dass hier ein neuer Stern den Hollywoodhimmel erhellt. So schwierig ihr Name auch auszusprechen sein mag, merken sollte man ihn sich auf jeden Fall - ein Oscar ist ihr in den kommenden Jahren gewiss. "Byzantium" sollte man sich wegen alldem anschauen!