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Der Zombie-Hype geht weiter"Fear The Walking Dead" ist Mainstream

09.11.2015, 20:36 Uhr
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Patchwork-Familie im Überlebenskampf: Darum geht es in "Fear The Walking Dead". (Foto: "Fear The Walking Dead" erscheint bei Splendid Film im Vertrieb der WVG Medien am 16. November auf DVD und Blu-ray.)

Der junge Junkie Nick erwacht von einem ganz üblen Trip. Er ertappt seine Drogenfreundin dabei, wie sie gerade das Gesicht eines Menschen frisst. Nachwirkungen seines Höllenrauschs? Oder ist Nick der erste Zeuge einer neuen Welt?

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Wahnsinnserfolg der Fernsehserie "The Walking Dead" einen Spin-off nach sich zieht. Nun ist es passiert und mit "Fear The Walking Dead" soll die Vorgeschichte der Zombikalypse erzählt werden: Wie alles begann. Das klingt verheißungsvoll, aber ist es auch erfolgreich?

Es war einmal … das Los Angeles im Hier und Jetzt. Die Mittelschicht lebt in der Angst vor dem gesellschaftlichen Rutsch ins Nichts - und versucht dabei irgendwie über die Runden zu kommen, zu leben. Der Englischlehrer Travis (Cliff Curtis; "Stirb langsam 4.0; "Training Day"), mit einem Faible für Jack London, lebt in Trennung und bei seiner neuen großen Liebe Madison (Kim Dickens; "Blind Side"). Kennengelernt haben sie sich in der Schule, denn dort ist "Maddie" Vertrauenslehrerin. Sie redet dort Kids ins Gewissen, die etwa versuchen, durch die Sicherheitsschleusen ein Messer mit in die Schule zu bringen. Jüngst geschehen bei dem Comic-Nerd Tobias (Lincoln A. Castellanos).

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Tobias hat den richtigen Riecher: In L.A. und andernorts in den USA bricht die Zombie-Plage los. (Foto: WVG Medien)

Da etwas dicklich, erscheint er wie das perfekte Mobbing-Opfer. Doch das ist nicht der Grund für das Messer in seiner Jackentasche. Er hat stattdessen Angst vor den zunehmenden Horrormeldungen in den Nachrichten zu "Zwischenfällen" in mehreren US-Staaten. Maddie versucht ihn zu beruhigen: "Die Regierung würde uns doch etwas sagen." Tobias blickt ungläubig und scheint zu denken: "Mann, wie naiv bist du denn eigentlich?" Sein Messer bekommt er nicht zurück.

Was wirklich zählt, …

Maddie wiederum hat genug eigene Probleme, als sich wirklich intensiv um verängstigte Schüler wie Tobias zu kümmern. Ihr Sohn Nick (Frank Dillane; "Harry Potter und der Halbblutprinz") liegt im Krankenhaus. Ein Auto hat ihn auf der Straße erfasst. Es hat den Anschein, als ob Nick sich das Leben nehmen wollte.

Nick verneint das, wohlwissend, dass man ihm als Heroin-Junkie nicht unbedingt Glauben schenken wird. Seine Geschichte klingt aber auch wahnwitzig, wie ein Höllentrip: Er ist nach einem Schuss in einer Kirche, die Obdachlosen und Junkies als Zuflucht dient, erwacht. Noch völlig benebelt erblickt er seine Drogenfreundin Gloria, wie sie, mit milchig-toten Augen starrend, das Gesicht eines Menschen frisst. Nick taumelt ungläubig aus der Kirche - und vors Auto.

Der Einzige, der dem im Hospital ans Bett Fixierten glaubt, ist Travis. Zumindest schaut er sich die Kirche einmal genauer an. Ihr Inneres bietet ein Bild des Grauens, so viel Blut ist da zu sehen. Was ist hier passiert? Was hat Nick gesehen? Was läuft hier schief?

… ist die Familie

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"Davor" will Travis mit seiner gesamten Familie aus L.A. fliehen. (Foto: WVG Medien)

Travis weiß zwar nicht, was genau nicht stimmt, aber er ist sich sicher, dass etwas nicht stimmt. Er fasst deshalb den Entschluss, seine Familie zu schnappen und aus der Stadt zu verschwinden. Aber seine Familie ist groß. Patchwork halt. Neben Maddie und ihrem Sohn Nick gibt es noch Maddies Tochter Alicia (Alycia Debnam-Carey; "Storm Hunters"), Travis' Ex-Frau Liza (Elisabeth Rodriguez; "Side Effects", "Desperado") und seinen Sohn Chrisopher (Lorenzo James Henrie; "Star Trek"). Letzterer will allerdings nichts mehr von ihm wissen, träumt aber von einer Familienzusammenführung seiner Eltern.

Die gibt es dann auch - in noch größerem Maße. Als Travis Liza und Chris abholt, überrascht sie der mittlerweile in den Straßen der Stadt der Engel marodierende Mob. Unterschlupf finden sie bei dem Immigranten Daniel Salazar (Ruben Blades; "Safe House", "Irgendwann in Mexiko") und dessen Frau und Tochter. Doch als deren Zuhause brennt, flüchten sie alle gemeinsam und kommen (fast) wohlbehalten bei Maddie und ihren Kindern an. Die Stimmung ist angespannt - nicht nur wegen dem, was da draußen vor sich geht, die Welt scheint verrückt zu spielen. Auch Maddie und Liza sind alles andere als Busenfreundinnen.

Dennoch raufen sie sich zusammen, weil sie müssen und wissen, dass sie schleunigst das Weite suchen müssen. Gerade als sie die Autos beladen haben und gen Osten aus der Stadt und in die Wüste fahren wollen, taucht das Militär auf. Riegelt alles ab. Erschießt eine Nachbarin von Maddie, die Symptome der um sich greifenden unbekannten Krankheit gezeigt hat, inklusive der milchig-toten Augen. Travis atmet auf: Das Militär wird die Sache wieder in Ordnung bringen, die Regierung wird das Richtige tun. Alles wird gut. Alles wird wieder wie früher.

Alltags-Horror

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"Fear The Walking Dead" (bei Splendid Film im Vertrieb der WVG Medien) erscheint am 16. November auf DVD und Blu-ray. (Foto: WVG Medien)

Wird es das? Als Zuschauer von "Fear The Walking Dead" will man das nicht hoffen, schließlich beginnt die erste Staffel jetzt erst so richtig. Allerdings ist sie da auch schon zur Hälfte etwa vorbei. Sie braucht Zeit, um auf Touren zu kommen. Aber das war bei der Mutter-Serie ja zu Beginn auch nicht anders.

Bleibt die Frage: Braucht es "Fear The Walking Dead" wirklich? Klare Antwort: Ja, warum nicht. Als "The Walking Dead"-Fan hieß es bisher immer: ein Jahr warten, bis die neue Staffel erscheint. Mit dem "Fear"-Ablege wird diese Zeit verkürzt.

Aber "Fear" hat noch mehr Pluspunkte auf seiner Seite: Da wäre etwa die Patchwork-Familie um das Lehrer-Pärchen. Er repariert zu Hause die Spüle. Sie kommt früh immer nicht auf Touren. Das Mädchen ist die Vorzeigeschülerin, die auch mal schwänzt; der Junge ist das schwarze Schaf in der Familie. Und Chris: Der entdeckt gerade sein linkes Herz, schaut genau hin, wenn weiße Polizisten Schwarze mit dem Schlagstock traktieren und verhaften. Wie aus dem Leben gegriffen, möchte man sagen.

Zombies? Wo?

Dazu liegen Travis' Wurzeln auf Hawaii. Die Salazars kommen aus El Salvador. Alicias Freund ist ein Schwarzer, dazu noch ein Sprayer. Das verheißt den Zugang zu ganz neuen Zuschauerschichten. Die klassischen Zombie-Nerds von "The Walking Dead" sind obwohl stetig zunehmend, zahlenmäßig dennoch begrenzt. Nicht jeder mag durch Armbrust-Pfeile explodierende Zombie-Köpfe. "Fear" punktet da schon allein deshalb, weil das Wort Zombie in der gesamten ersten Staffel nicht einmal fällt und weil man die Untoten zu Serienbeginn noch mit der Lupe suchen muss. "Fear" hat dadurch das Zeug, die breite Masse zu elektrisieren.

Dass dabei auch auf Altbekanntes aus der Mutter-Serie zurückgegriffen wird - geschenkt. Bereits in der ersten Staffel muss ein Mitglied der Patchwork-Familie "angeknabbert" selbst ins Gras beißen. Dazu ist für jeden ein Sympathieträger dabei: Nick, Alicia, Tobias, vielleicht sogar Chris oder … Salazar. Und: Überraschende Wendungen und plötzlich auftauchende geheimnisumwitterte Charaktere –Victor Strand (Colman Domingo; "Lincoln") etwa - sorgen für Spannung.

Der "Fear"-Erzählstil erinnert ebenfalls an die Mutter-Serie: Langsam, fast schon behäbig, kommt "Fear" daher wie eben auch "The Walking Dead". Nur die Dialoge sind ausgereifter. Es wird in ganzen Sätzen geredet. Es finden richtige Gespräche statt. Aber wer weiß, ob das so bleibt? Schließlich steht in "Fear" die Zombikalypse noch ganz am Anfang. Vielleicht wird auch die Patchwork-Familie mit der Zeit und zunehmendem Untoten-Kontakt sprachfauler, kommuniziert nur noch mit Worthülsen wie Rick oder Daryl?

Das ist einer der Fragen, die sich der Zuschauer nach Staffel 1 von "Fear" stellen kann. Auch die, was aus Tobias wird oder welche Rolle Strand in dem ganzen Figuren-Tohuwabohu spielt. Und natürlich auch: Ob es in Staffel 2, die dann 15 statt 6 Folgen lang ist, mehr Zombies zu sehen geben wird.

Eine Frage hat "Fear" aber schon beantwortet, die Wichtigste wohl für den produzierenden Sender AMC: "Fear The Walking Dead" ist definitiv erfolgreich. Die Zuschauerzahlen beweisen das. Der Zombie-Hype geht weiter - im Mainstream-Modus.

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Quelle: ntv.de

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