Älter, härter, böser"House of Cards", very british

Die Konservativen gewinnen die Wahlen. Fraktionschef Urquhart freut sich auf sein Ministeramt. Doch der neue Premier bootet ihn aus. Das lässt das Polit-Urgestein nicht auf sich sitzen, ein bitterböses Spiel um Macht, Sex und Verrat beginnt.
"Ich habe der Nation einen Gefallen getan. Henry hatte weder genug Mumm noch Verstand, um ein Land wie dieses zu regieren. Ja, er ist ein netter Mann. Aber er hatte keinen Willen und kein Stehvermögen. Sein größter Wunsch war, dass die Menschen ihn gern haben. Das ist eine vorzügliche Eigenschaft - für einen Spaniel, oder eine Hure. Aber doch nicht für einen Premierminister, hm? Im Grunde haben wir ihm auch einen Gefallen getan. Nur weiß er das gar nicht. Er saß schon in der Falle, als er das Amt übernahm. Und wir, wir haben diesen armen Schweinehund nur von seiner Qual erlöst. Wenn er aus diesem Albtraum erwacht, wird er gut weiterschlafen. Also, keine Wehleidigkeit bitte, seien wir nicht so zimperlich! Alles klar? Vergessen Sie nicht: Das war nur der erste Schritt!" sagt Francis Urquhart (Ian Richardson) mit einem Lächeln im Gesicht. Sagt es und verlässt die Toilette des Parlamentsgebäudes. Ja, dieser Urquhart ist schon ein ganz besonderes Exemplar von Politiker.
Alles, was er macht, hat irgendwie Hand und Fuß. Er hat keine Ecken, schlüpft überall so durch. Er ist der Mann, den keiner hasst; der Politiker ohne Politik. Der nette Herr von nebenan, der da ist, wenn es brennt. Und brennen - ja, das tut es in der britischen Politik lichterloh, seitdem Henry Collingridge Premierminister ist. Aber diese Zeit ist ja jetzt vorbei. Nun steht ein halbes Dutzend Kandidaten in den Startlöchern, den freien Posten einzunehmen. Jung und Alt, von niederer und gehobener Herkunft. Nur Urquhart, Chef der Fraktion der Konservativen, hat keine Ambitionen. Nach außen zumindest nicht. Im Inneren glaubt er, dass es keinen Besseren für dieses Amt geben könnte als ihn höchstpersönlich.
Ränkespiele aus dem Lehrbuch
Und so schmiedet er im Geheimen Pläne, baut Fallen, zieht Fäden, lässt die anderen Kandidaten nach seiner Pfeife tanzen, wie Holzpuppen an Fäden in den Händen eines geschickten Marionettenspielers. Er benutzt die Journaille, schläft mit Mattie (Susannah Harker), der aufstrebenden jungen Polit-Reporterin des durchaus angesehenen "Chronicle". Streut immer mal Interna bei gemeinsamen Tête-à-Têtes. Dass der Sturz des Premiers von langer Hand - von seiner langen Hand - geplant wurde und Mattie jederzeit Urquharts schmutziges Geheimnis aufdecken könnte, macht die Sache nur umso reizvoller für den alten Mann mit dem jungenhaft-charmanten Lächeln.
Und wieso die ganzen Spielchen? Alles nur aus gekränktem Stolz. Statt dem treudienenden Parteilenker einen Platz in seinem neuen Kabinett zuzugestehen, lässt Collingridge Urquhart außen vor. Das hat der arme Tor nun davon: ein fragwürdiger Rücktritt, ein Bruder in einer Entzugsklinik, Gerüchte über Insiderhandel und und und. Ja, Francis Urquhart hat es voll drauf, wenn es darum geht, die politische Klaviatur in Perfektion zu spielen.
Urquhart beherrscht nicht nur alle Regeln des dreckigen Polit-Geschäfts. Seine Trümpfe heißen: Interna. Er kennt auch das kleinste und dreckigste Geheimnis seiner Parteifreunde. Und so nimmt das Spiel um Macht, Sex, Korruption und Verrat seinen bitterbösen, schwarzhumorigen, ja typisch britischen Lauf.
Ach, diese Briten - so amusing!
Vier Folgen lang kann der Zuschauer in klassischer 4:3-Fernsehoptik mit den typisch schwachen Farben des Fernsehens Ende der 1980er Jahre mit ansehen, wie aus dem netten Polit-Onkel von nebenan, der einen an seinen Plänen und Gedankenspielen direkt teilhaben lässt, ein über Leichen gehender Machtmensch wird. Wäre "House of Cards" eine deutsche Serie, man hätte sie mit einem Österreicher in der Hauptrolle nicht treffender besetzen können.
Dass die Serie Preise und Auszeichnungen en masse einheimst, geschenkt. Emmy, Bafta, alles ist dabei. Und dass Hollywood noch Jahrzehnte danach von dem Polit-Stoff fasziniert ist und eine eigene "House of Cards"-Variante mit Kevin Spacey in der Hauptrolle abdreht, zeigt, wie gut das Original von der Insel wirklich ist. Das wiederum orientiert sich am gleichnamigen Bestseller von Michael Dobbs, der selbst im Stab von Margret Thatcher gearbeitet hat.
Es sind halt richtige Schauspieler vor der Kamera. Als Zuschauer fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. Da klingeln noch Telefone, die auf dem Tisch stehen. Es werden noch Hörer ans Ohr gehalten, die Menschen lesen noch Zeitungen; schauen und glauben dem, was der Nachrichtensprecher im Fernsehen ihnen sagt.
Eine andere Zeit, vielleicht sogar eine bessere: Da werden politische Rivalen bei Tee und Gebäck abserviert oder der nächste Schritt beim Morgenkaffee im Bademantel gemeinsam mit der Ehefrau ausklamüsert. Ach, diese Briten!
Und was ist das Besondere an Großbritannien? Die Monarchie. Und genau deren Verhältnis zur Politik steht im Mittelpunkt der zweiten Mini-Serie von "House of Cards", die beide gemeinsam jetzt erstmals in Deutschland auf DVD erschienen sind. Die dritte Staffel und damit der Abschluss folgt im August. Eine politische Sommerpause wird es also dieses Jahr nicht geben!
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