Mittlerweile 35 EHEC-Tote "100 Kranke brauchen neue Niere"
12.06.2011, 20:02 Uhr
Auf der Intensivstation des Universitätskrankenhauses Schleswig-Holstein in Lübeck.
(Foto: dpa)
Den nierenkranken EHEC-Patienten droht ein Mangel an Spenderorganen. Die Zahl der Toten steigt auf 34. Damit ist der EHEC-Ausbruch in Deutschland der bislang schwerste weltweit. Ein Todesfall wird in Schweden registriert. Das Robert-Koch-Institut räumt ein, dass das Meldesystem per Post verbessert werden könnte.
EHEC-Erkrankten drohen bei einem schweren Krankheitsverlauf offenbar schwerwiegende Folgeschäden. "Etwa 100 Patienten sind so stark nierengeschädigt, dass sie ein Spenderorgan brauchen oder lebenslang zur Dauerdialyse müssen", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Bild am Sonntag".
Lauterbach warnte auch davor, angesichts der Erfolge der vergangenen Tage bei der Ermittlung der EHEC-Übertragungswege zu früh Entwarnung zu geben. "EHEC-Erreger sind weltweit auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland wird es künftig immer wieder zu EHEC-Ausbrüchen kommen."
Zahl der Nieren reicht ohnehin nicht
Der drohende Nierennotstand verschlimmert ein bekanntes Problem: Bundesweit stehen etwa 8000 Menschen auf der Warteliste für eine neue Niere - wegen ganz unterschiedlicher Krankheiten. Weniger als 3000 Nieren wurden allerdings im vergangenen Jahr verpflanzt, wie aus Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation hervorgeht.
Außer Nierenversagen löst EHEC laut Ärzten schwere neurologische Schäden aus. Mediziner berichteten etwa von Sprachstörungen wie bei einem Schlaganfall oder Zuckungen bis hin zu epileptischen Anfällen.
Bislang der heftigste EHEC-Ausbruch
Wie das Robert-Koch-Institut in Berlin mitteilte, sind bislang in Deutschland 34 Menschen an EHEC beziehungsweise am durch die Keime ausgelösten hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) gestorben. Dazu kommt ein weiterer Todesfall in Schweden. Nach Angaben des RKI und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist es der heftigste jemals registrierte EHEC-Ausbruch auf der ganzen Welt.
Als eine Ursache für die starke Ausbreitung der Epidemie sieht Lauterbach die schwerfällige Übermittlung von Krankheitsdaten. "Die Kliniken müssen in Zukunft jeden EHEC-Fall direkt per Mail an das Robert-Koch-Institut melden", verlangte der SPD-Gesundheitsexperte. Die bisherige Meldekette vom Gesundheitsamt vor Ort über das Landesgesundheitsamt an das RKI dauere mindestens eine Woche. Dies sei viel zu lang. Lauterbach forderte deswegen eine elektronische Meldepflicht.
Bahr will Meldeverfahren verbessern
Mittlerweile spricht sich auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) für technische Verbesserungen im Meldeverfahren aus. "Ich kann nicht verstehen, warum die heutigen technischen Möglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden", sagte er der "BamS". Forderungen nach einer zentralen Bundesbehörde für Seuchenbekämpfung erteilte er aber erneut eine Absage. Dies habe sich nicht bewährt.
Ein Sprecher des RKI räumte ein, dass Informationen auf elektronischem Wege den Empfänger schneller erreichen könnten. Insgesamt gebe es aber "keinen Anlass, sich zu beschweren. Das hat gut funktioniert".
RKI an Himmelfahrt nicht besetzt?
Der Direktor des Dresdner Uniklinikums, Gerhard Ehninger, kritisierte im "Tagesspiegel", er habe am Himmelfahrts-Donnerstag vergeblich versucht, einen Experten des Robert-Koch-Instituts ans Telefon zu bekommen. Dies sei erst wieder am Montag möglich, sei ihm mitgeteilt worden. Dabei ging es laut Ehninger um die Meldung der EHEC-Erkrankung von mehreren Menschen, die zuvor in einem Restaurant auf dem Darß an der Ostsee gemeinsam gegessen hatten.
Ein Sprecher des RKI bezeichnete den von Ehninger kritisierten Vorgang als schwer vorstellbar. Schon lange vor Himmelfahrt sei ein permanent erreichbares Lagezentrum eingerichtet worden, auch die Pforte habe klare Anweisung gehabt, an wen sie Anrufe weiterleiten solle. Zudem sei rund um die Uhr eine Hotline geschaltet gewesen.
Am Samstag hatten Behörden zweifelsfrei Sprossen aus einem Biohof im niedersächsischen Bienenbüttel als Infektionsquelle ausgemacht. Im EHEC-Puzzle fehlen jedoch noch Teile. Wie der Keim in den Betrieb kam, ist beispielsweise offen. Der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) sagte dem WDR, die Lieferkette vom Biohof zu den Erkrankten in NRW sei bislang unklar.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa