Versagen im Mordfall LenaStaatsanwaltschaft ermittelt

Verschleppte Ermittlungen, verschlampte Routineverfahren: Die Staatsanwaltschaft Aurich ermittelt im Mordfall Lena jetzt gegen zwei Polizeibeamte. Gegen weitere vier Beamte laufen Disziplinarverfahren. Die Liste der Versäumnisse der Emder Polizei wird immer länger.
Die Pannenserie im Mordfall Lena hat nun strafrechtliche Ermittlungen gegen mehrere Polizisten zur Folge. Die Staatsanwaltschaft Aurich ermittelt gegen zwei Beamte der dortigen Polizeiinspektion wegen des Anfangsverdachts der Strafvereitelung im Amt, teilte die Justizbehörde mit. Außerdem gibt es Disziplinarverfahren gegen diese beiden und weitere Beamte. Das Innenministerium sprach von mehreren Sachbearbeitern sowie zwei Vorgesetzten bei der Polizei in Aurich.
Polizei gibt Details bekanntCDU-Innenminister Uwe Schünemann räumte schwere Fehler der Beamten ein. Bei der Polizei Aurich habe es offensichtlich Versäumnisse und eine schleppende Sachbearbeitung gegeben. "Das ist etwas, was mich auch persönlich sehr berührt", sagte der Innenminister.
Selbstanzeige hatte keine Konsequenzen
Der tatverdächtige 18-Jährige hatte die Tötung Lenas bei seiner Vernehmung am Wochenende zugegeben. Seitdem schweigt der in Untersuchungshaft sitzende Mann. Das Mädchen war am 24. März in einem Parkhaus umgebracht worden, vermutlich zur Verdeckung eines vorangegangenen Sexualverbrechens. Der Tatverdächtige hatte sich bereits im November bei der Polizei Emden nach einer Behandlung in der Psychiatrie als Pädophiler angezeigt. "Er wollte gegen diese Krankheit ankämpfen. Teil dieser Therapie war die Selbstanzeige", sagte Landespolizeidirektor Volker Kluwe in Hannover.
Die Selbstanzeige wegen sexuellen Missbrauchs war von der Polizei lediglich einem Kinderpornografie-Verfahren untergeordnet worden, obwohl die Nacktaufnahme der Siebenjährigen das schwerere Vergehen war. Wie jetzt erst bekanntwurde, hatte den Tatverdächtigen sein Stiefvater bereits im September 2011 angezeigt, weil dieser Kinderpornos auf seinen Computer heruntergeladen hatte.
Der junge Mann hätte einen Fingerabdruck abgeben und fotografiert werden müssen, sagte Schünemann. Vor allem hätte man, wie bei Sexualdelikten üblich, eine Speichelprobe nehmen müssen. Neben dem Besitz von Kinderpornos hatte der 18-Jährige zugegeben, bereits 2010 zu Hause ein siebenjähriges Mädchen ausgezogen und fotografiert zu haben. Die Mutter hatte ihn dabei ertappt und das Jugendamt informiert.
Die Fehler in dem Fall wiegen umso schwerer, weil nur einen Tag nach der Selbstanzeige eine Joggerin knapp einer Vergewaltigung in den Emder Wallanlagen entkam. Die Polizei ordnete die Tat nach der Aufklärung des Mordes an Lena mit Hilfe einer DNA-Untersuchung dann dem 18-Jährigen zu. Jetzt prüfen die Fahnder auch einen weiteren Übergriff auf einen Jungen in Emden vom 1. März.
Die polizeiinternen Ermittler prüfen jetzt auch, warum der richterliche Durchsuchungsbeschluss wegen Kinderpornografie vom 30. Dezember bei der Polizei im niedersächsischen Aurich nicht umgesetzt wurde.
Solidaritätsdemo für falschen Verdächtigen
Ursprünglich war ein 17-Jähriger verdächtigt worden. Am Abend versammelten sich in Emden rund 200 Menschen aus Solidarität für den zu Unrecht Festgenommenen, der inzwischen volljährig ist. Er hatte vergangene Woche tagelang in Untersuchungshaft gesessen. Auf der Straße und im Internet bildete sich daraufhin ein regelrechter Mob, der zu Lynchjustiz aufrief.
Angesichts der Ermittlungspannen rief der Anwalt von Lenas Familie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zufolge zur Besonnenheit auf. Bernhard Weiner sagte dem Blatt: "Versäumnisse sollten zunächst gründlich aufgeklärt werden, um dann auf sicherer Informationsbasis Schlüsse zu ziehen und über Konsequenzen zu entscheiden."
Zugleich forderte der Anwalt aus dem emsländischen Meppen, die Privatsphäre von Lenas Familie zu respektieren. "Ihre Wohnung ist von Neugierigen und Medienvertretern belagert", sagte er. Wer die Familie unterstützen wolle, solle sich "zurück- und fernhalten oder für Lena und ihre Familie beten".
Mit Tauchern suchten die Ermittler bis zum Abend in den Kanälen der Wallanlagen der ostfriesischen Stadt nach der Tatwaffe. Es wurden keine relevanten Gegenstände gefunden, wie die Polizei mitteilte.