Panorama

Belehren statt Bestrafen Bremer Polizei protestiert mit Nachsicht

25.06.2013, 03:07 Uhr
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"Prävention kommt vor Repression": Viele Bürger dürfte dieser polizeiliche Ansatz freuen. (Foto: picture alliance / dpa)

Unter dem Motto "Bürgerfreundliche Strategie" wehrt sich die Bremer Polizei derzeit gegen Sparmaßnahmen der Landesregierung. Anstatt die Stadtkasse mit Bußgeldern zu füllen, belassen es viele Beamte bei einer mündlichen Verwarnung. Nicht alle freut diese nachsichtige Praxis - und doch könnte sie Schule machen.

Eine Rote Ampel missachtet? Ohne Gurt am Steuer erwischt? Mit dem Fahrrad den Fußweg benutzt? In Bremen können ertappte aber schuldbewusste Sünder seit einiger Zeit mit ungewohnter Nachsicht bei der Polizei rechnen. Denn das Motto der Ordnungshüter für diesen Sommer lautet: Reden statt Strafzettel verteilen. Ein kleiner Plausch über die Gefahren des verkehrswidrigen Verhaltens und schon ist die Sache abgehakt. Auch in anderen Bundesländern könnten Beamte an der Methode gefallen finden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bremen nennt das Ganze "Bürgerfreundliche Strategie". Sicher ist: Den Portemonnaies der Bürger wird es zugutekommen. Aber sicher ist auch: Dem von Finanznöten geplagten Bremen entgehen dadurch Einnahmen, die eigentlich dringend gebraucht werden. Und genau darum geht es den freundlichen Wachtmeistern in Wirklichkeit. Sie wollen gegen die Sparpolitik im kleinsten Bundesland protestieren, die auch sie empfindlich trifft. Denn streiken dürfen Beamte nicht.

"Den Kollegen reicht's"

Erst vergangene Woche hatte der Bremer Landtag eine Nullrunde für viele Staatsdiener beschlossen. Die im öffentlichen Dienst vereinbarten Tariferhöhungen sollen für die oberen Besoldungsstufen gar nicht und für die anderen erst zeitversetzt gelten. Hinzu kommt das hochgesetzte Pensionsalter bei der Polizei und weitere ungeliebte Maßnahmen. "Die Kollegen sind frustriert. Ihnen reicht's", sagt der stellvertretende GdP-Vorsitzende Heinfried Keithahn.

Gerade in den Sommermonaten, wenn mehr Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer die Straßen bevölkern, ist für die Polizei in der Regel viel zu holen. Bei kleineren Vergehen müssen sie jedoch nicht gleich Verwarnungsgelder kassieren, sondern können erst einmal auf Aufklärung setzen. "Wir unterstützen das, wenn die Kollegen ihren Ermessensspielraum nutzen", sagt Keithan. Bei Inspektionen machen die Streifenpolizisten schon länger davon Gebrauch. Bei solchen sei die Zahl der Strafzettel im ersten Halbjahr 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 60 Prozent gesunken.

Praxis könnte Nachahmer finden

Polizeipräsident Lutz Müller ist davon alles andere als begeistert: Die Leitlinien der Polizeiarbeit bestimmten immer noch die Landesregierung und er selbst. Er werde die Verwarnungspraxis genau im Auge behalten, ließ Müller mitteilen. Und damit ist er nicht allein. Auch bundesweit verfolgt man die bürgerfreundlichen Bremer Polizisten mit Interesse. Denn Zoff um die Umsetzung der Tarifergebnisse gibt es in vielen Bundesländern.

In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern halten die Gewerkschafter ähnliche Aktionen für vorstellbar, falls am Ende der Verhandlungen weitere Einschnitte bei den Beamten stehen. "Prävention kommt vor Repression, die bei Uneinsichtigen natürlich auch notwendig ist", findet auch der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Die Polizei arbeite schließlich in erster Linie für den Schutz und die Sicherheit der Bürger und nicht für die Landeskasse.

Welche finanziellen Ausfälle durch die redefreudigen Beamten auf Bremen jetzt zukommen, lässt sich zurzeit schwer absehen. Die Polizei selbst weist daraufhin, dass die Einnahmen aus den Verwarnungsgeldern über das Jahr stark schwanken. Auch Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), die sonst nicht zurückhaltend ist, wenn es um den Landeshaushalt geht, will sich zu der Angelegenheit nicht äußern. So viel wie die höheren Gehälter für die Beamten gekostet hätten, wird es aber wohl lange nicht sein.

Quelle: ntv.de, dpa