"Öl ist nicht verschwunden" Das Leck ist "tot"
19.09.2010, 17:15 UhrFünf Monate nach Beginn der wohl schwersten Ölpest der Geschichte ist die defekte Ölquelle im Golf von Mexiko verschlossen. BP-Experten war es gelungen, die Quelle mit Zement zu verschließen. Trotz des Unglücks plant die Ölindustrie weitere Bohrungen.
Die defekte Ölquelle im Golf von Mexiko ist endgültig versiegelt. Fünf Monate nach Beginn der Ölpest gelang es BP-Experten, die Quelle mehrere Tausend Meter unter dem Meeresboden mit Zement zu verschließen. Die Quelle sei nun "tot", teilte der Sonderbeauftragte der US-Regierung, Thad Allen, mit.
Die Bilder, wie die schwarze Fontäne in 1500 Metern Tiefe in den Golf von Mexiko schoss, waren um die ganze Welt gegangen. Die Menschen rund um den Globus konnten das Drama live verfolgen. Die Ingenieure des britischen BP-Konzerns schafften es zwar, die Videos vom Meeresgrund ins Internet zu stellen. Doch ein Rezept, wie die schwerste Ölpest der US-Geschichte zu stoppen war, fanden sie monatelang nicht.
Obamas peinlicher Satz
"Das Öl ist nicht verschwunden. Es ist nur dort, wo niemand danach sucht", warnt Samantha Joye von der University of Georgia.
(Foto: AP)
Ausgerechnet ein paar Wochen vor der Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" hatte US-Präsident Barack Obama dem Drängen der Industrie nachgegeben. Er wolle nun doch weitere Bohrungen vor den Küsten genehmigen. Die Begründung, die er lieferte, liest sich im Nachhinein wie ein Treppenwitz: Es gebe neue, schonende Technologien. "Wir schützen Gebiete, die wichtig sind für den Tourismus, die Umwelt und unsere nationale Sicherheit", versprach er. Ein Satz, an den Obama kaum erinnert werden will - durch die Katastrophe waren die schönsten Strände an der US-Golfküste bedroht.
Tatsächlich mussten die Öl-Experten kleinlaut zugeben, dass sie mit einem Unfall in derartiger Tiefe so gut wie keine Erfahrung hatten. Zwar gab es reichlich Methoden, Lecks zu stopfen - aber in 1500 Metern Tiefe sei eben alles ein bisschen schwieriger. Reihenweise floppten Rettungsversuche.
Golfbälle, Gummiteile und Schlamm
Da wurden mal riesige, mal kleinere Stahlkuppeln zu Wasser gelassen, die das Öl auffangen sollten. Das klappte nicht, es bildeten sich Kristalle, das Öl verklumpte. Dann sollten alte Golfbälle, Gummiteile und schwerer Schlamm ins Bohrloch gepumpt werden. Klappte auch nicht, der Druck des ausströmenden Öls war schlichtweg zu groß.
Nicht nur die Ingenieure vor Ort kamen ins Schleudern, auch der BP-Riese geriet ins Wanken. 20 Milliarden Dollar (15,3 Milliarden Euro) musste BP zur Beseitigung und Entschädigung bereitstellen. Die Aktien purzelten in den Keller, zeitweise stand BP am Rande des Abgrunds. Chef Tony Hayward musste nach zahlreichen PR-Pannen abdanken.
Auch der US-Präsident schlingerte. Er durchlebte die schwerste Krise seiner jungen Amtszeit. Zwar betonte Obama von Beginn an, dass BP die Verantwortung trage, bis auf den letzten Cent alles zahlen müsse. Doch auch der "Commander in Chief" wirkte hilflos. Auch er hatte keine Strategie, kam erst langsam in Schwung. "Obamas Katrina", orakelten Kommentatoren mit Blick auf das halbherzige Handeln George W. Bushs 2005 nach dem Hurrikan in New Orleans.
Weitere Bohrungen längst in Planung
Doch seitdem der Ölfluss Mitte Juli gestoppt ist, ist der Schock verebbt. Zwar sind nach wie vor über 900 Kilometer Küste mehr oder weniger verschmutzt, wie Thad Allen, der Sonderbeauftragte der Regierung am Samstag in Erinnerung rief. 25 000 Helfer sind noch immer damit beschäftigt, die Schäden zu beseitigen. "Das Öl ist nicht verschwunden. Es ist nur dort, wo niemand danach sucht", warnte Samantha Joye von der University of Georgia. Unabhängige Forscher berichten von großen Öl-Wolken unter Wasser, von streckenweise zentimeterdicken Ölschichten auf dem Meeresgrund. Doch viele Amerikaner scheinen das nicht mehr hören zu wollen. Das Interesse der Medien hat sich längst auf andere Themen gerichtet.
Eines der ersten Bilder von der brennenden Ölplattform. Das Foto wurde am 21. April von einem Hubschrauber der US-Küstenwache aus gemacht.
(Foto: Reuters)
Die Ölindustrie ruht nicht. Längst sind weitere Tiefseebohrungen in Planung. In den USA kippte gar ein Gericht ein von Obama verhängtes Moratorium. Die Branche zieht einfach weiter: Kürzlich verkündete Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, dass das Desaster im Golf sein Land nicht daran hindern werde, vor der Küste ein Ölfeld in 5000 Metern Tiefe anzuzapfen - das liegt 3500 Meter tiefer als das Leck vor der US-Küste.
"Wir haben Technologie und, so Gott will, werden wir es nicht erlauben, dass so etwas hier geschieht", meinte Lula. Und BP kündigte kürzlich an, auch im Mittelmeer vor der libyschen Küste bohren zu wollen - in 1750 Metern Tiefe.
Quelle: ntv.de, dpa