Panorama

Neue Zeitung aus BerlinDas jüdische Auge Deutschlands

10.01.2012, 17:54 Uhr
imagevon Manfred Bleskin
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Herausgeber Seligmann will Zeichen setzen. (Foto: dpa)

Eine neue Zeitung berichtet in Zukunft über das jüdische Leben in Deutschland. Fast 70 Jahre nach dem Nationalsozialismus müssten die Juden zeigen, dass sie "keine Opfergemeinschaft" mehr sind, sagte der Herausgeber. Für Westerwelle ist die "Jewish Voice from Germany" das Zeichen, dass es in Deutschland für Juden wieder einen "festen Platz" gibt.

In Anwesenheit von Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat der d ein neues Kapitel in der deutschen Zeitungsgeschichte aufgeschlagen. Der 1947 in Tel Aviv Geborene ist Herausgeber der vierteljährlich erscheinenden "Jewish Voice from Germany" ("Jüdische Stimme aus Deutschland"). Das Blatt versteht sich als Spiegelbild einer jüdischen Identität in Deutschland und wendet sich mit einer Printauflage von 30.000 Exemplaren vorrangig an eine englischsprachige Leserschaft im Ausland.

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Herausgeber Seligmann und Außenminister Westerwelle blättern zusammen in der Erstausgabe der "Jewish Voice from Germany". (Foto: REUTERS)

Der überfüllte Presseraum unmittelbar neben dem Brandenburger Tor zeugte von dem großen Interesse, das Presse, Funk und Fernsehen der offiziellen Präsentation des 24 Seiten starken Blattes entgegenbrachten. Der Bundesaußenminister wertete dies einerseits als "gutes Zeichen". Andererseits widerspiegle dies aber auch, dass so ein Projekt "nicht die Normalität", sondern "über viele Jahrzehnte etwas Besonderes" sei.

Zur Erklärung des Erscheinungszeitpunktes zitiert Seligmann aus dem alttestamentlichen Buch Kohelet: "Für alles gibt es die richtige Stunde und eine Zeit für jegliche Sprache unter dem Himmel. Es gibt eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Aufbauen." Jetzt sei es Zeit aufzubauen. Spätestens nach dem Bekanntwerden der Mordserie der faschistischen NSU-Bande stellt sich das Ausland Deutschland vielfach als einen Staat vor, in dem Hitlers Erben über Jahre ungestört morden können. Ein Aspekt, auf den auch Westerwelle hinweist. Auf seinen Auslandsreisen in den vergangenen Wochen und Monaten sei er von Außenministerkollegen oft besorgt zu den Untaten von Neonazis befragt worden. Dem will die Publikation einen demokratischen Entwurf entgegensetzen. Auch wirtschaftliche Überlegungen spielen dabei eine Rolle, wenn in einem Artikel Deutschland als "sicherer Hafen für Investoren" gelobt wird.

"Zeit für den Frieden"

Der Herausgeber liebt das Kapitel drei des in der Septuaginta Ekklesiastes genannten Buches Kohelet. Auch in seinem Artikel zu Israels Palästinapolitik meint er an die Adresse der Regierung von Benjamin Netanjahu gerichtet, dass es nun "Zeit für den Frieden" wäre. Überhaupt liebt der Schriftsteller Sprüche und zitiert die von ihm geprägte Metapher des Auges, das am Boden liegt und von allen bedauert wird. Es war das jüdische Auge, das einmal im deutschen Schädel steckte. "1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte haben uns untrennbar gemacht", fügt Seligmann hinzu. "Jewish Voice from Germany" sollte der "musculus rectus medialis" sein, der dafür sorgt, dass das jüdische Auge Deutschlands nie mehr auf den Boden fällt.