Klo-Kultur Der Herr der Toiletten
13.03.2006, 15:58 UhrToiletten sind Jack Sims Leidenschaft. "Die Toilette ist ein Stück Kultur", sagt der 49-Jährige. Die Verbesserung der globalen Klo-Kultur hat sich der quirlige Mann aus Singapur zur Lebensaufgabe gemacht. Während viele Menschen lieber gar nicht über das "stille Örtchen" sprechen oder peinlich berührt um Worte ringen, reist er um die Welt und debattiert lächelnd und wortgewandt über den Lokus. Bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn bei Frankfurt informierte sich der "Herr der Toiletten" am Montag über neue Öko-Klos, die bei hohem Hygiene-Standard Wasser sparen sollen. "Toiletten sind kein sexy Thema, aber wir können es zu einem machen, indem wir darüber sprechen", sagt Sim.
Dies ist dem Begründer der World Toilet Organisation ein dringendes Bedürfnis. "Wenn man nicht darüber spricht, kann man auch nichts verbessern", sagt Sim. Es gebe viel zu wenig sanitäre Anlagen für zu viele Menschen, viele Klos seien schmutzig und für den Benutzer eine Zumutung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lebten 2,6 Milliarden Menschen auf der Welt ohne angemessene sanitäre Anlagen. "Diese Zahl wollen wir bis 2015 halbieren", sagt Sim.
Sinnsuche endet auf der Toilette
Mit 40 Jahren hatte Sim nach einem neuen Lebensinhalt gesucht - er hatte alles erreicht, was er sich bis dahin gewünscht hatte. Er war erfolgreicher Unternehmer, hatte eine Ehefrau und vier Kinder. Aber er fühlte sich alt und ausgebrannt. "Ich hatte genug Geld, ich hätte mich einfach zur Ruhe setzen können", sagt Sim. Doch das war ihm nicht genug. "Ich wollte etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun."
Ein Zeitungsartikel über unzureichende Hygiene auf öffentlichen Toiletten zeigte ihm ein neues Ziel: 1998 begann der frühere Geschäftsmann, sich für saubere Toiletten in seiner Heimat Singapur stark zu machen, drei Jahre später stieg er zum Global Player in Sachen Toilette auf. Er gründete die World Toilet Organisation, deren Vorsitzender er bis heute ist. Seinen Job als Unternehmer hat er mittlerweile ganz aufgegeben. "Jetzt bin ich wieder jung und glücklich."
"In den vergangenen Jahren habe ich mir unzählige Toiletten in mehr als 20 Ländern der Welt angesehen", erzählt Sim, und seine Augen leuchten, wenn er über sein neues Geschäft spricht. Die WTO, nicht zu verwechseln mit der Welthandelsorganisation, hat mittlerweile 50 Mitglieder aus 39 Ländern. Sie sieht sich als Netzwerk für internationale Experten und nationale Institutionen, die sich mit Toiletten- und Abwassersystemen beschäftigen. "Wir packen die Probleme gemeinsam an und tauschen Ideen aus", sagt Sim. Vor kurzem sei in Singapur ein College eröffnet worden, in der Experten für sanitäre Anlagen ausgebildet werden.
Auch in Deutschland bleiben Sims Bemühungen nicht ohne Erfolg. Seit Januar 2006 existiert mit Sitz in Berlin die "German Toilet Organization e. V." – eine direkte Partnerorganisation der globalen WTO. Obwohl ein unabhängiger und selbstständiger Verein, stimmen die Ziele weitgehend mit denen von Sims Organisation überein. Vom 7. bis zum 12. März wurden im Rahmen der Ausstellung "Toilette bedeutet Würde" auf dem Potsdamer Platz im Zentrum Berlins 35 lebensgroße Figuren präsentiert, die sich beim Versuch, in der Öffentlichkeit ihre Notdurft zu verrichten, hinter schützenden Objekten verstecken. Ziel der Aktion war es, das Problembewusstsein der Öffentlichkeit zu schärfen.
"In den Entwicklungsländern fehlen Toiletten für Milliarden von Menschen", sagt Sim. Viele Toiletten seien zudem ein Umweltproblem. Flüsse, das Grundwasser und der Boden würden häufig durch Fäkalien verunreinigt. Zahlreiche Menschen steckten sich wegen mangelnder Hygiene mit Krankheiten an.
Auch in den Industrienationen sieht Jack Sim ein Problem: "Es wird zu viel Wasser durch Toilettenspülungen verschwendet", sagt Sim. Die Menschen müssten umdenken. "Nicht nur die Entwicklungsländer müssen sich ändern, sondern auch wir." Der Toilettengang dürfe nicht länger ein Tabu-Thema bleiben. "Wir gehen etwa sechs Mal am Tag auf die Toilette, wir müssen auch lernen, darüber zu sprechen", sagt Sim. Das werde aber schon den Kindern ausgetrieben: "Unsere Mütter sagen uns, wir sollen nicht über Toiletten reden. Es gibt nicht einmal genug Vokabeln, um ausreichend darüber zu sprechen."
Quelle: ntv.de