Offene Fragen nach 25 Jahren Der rätselhafte Tod eines Politikerpaares
19.10.2017, 09:28 Uhr
Petra Kelly und Gert Bastian gehörten zur ersten Grünen-Fraktion im Bundestag
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Vor 25 Jahren werden die Leichen der früheren Grünen-Abgeordneten Gert Bastian und Petra Kelly gefunden. Für die Ermittler ist schnell klar: Bastian hat sich und seine Lebensgefährtin getötet. Dennoch gibt es bis heute viele unbeantwortete Fragen.
Sie waren Ikonen der Friedensbewegung, doch ein friedlicher Tod war ihnen nicht beschieden: Petra Kelly und Gert Bastian waren wochenlang nicht mehr gesehen worden, als eine Nachbarin am 19. Oktober 1992 abends im Bonner Reihenhaus der Grünen-Politiker nach dem Rechten schaut. Sie findet die Leiche des 69-jährigen Bastian vor der Schlafzimmertür, die 44-jährige Kelly liegt tot im Bett.
Wenige Stunden später sind die Ermittler sicher: Bastian erschoss seine Lebensgefährtin und danach sich selbst. Doch auch 25 Jahre später wirft die Tragödie um die Grünen-Mitbegründerin Kelly und den Ex-Bundeswehrgeneral Bastian noch Fragen auf.
War es eine doppelte Selbsttötung? Oder war Kelly womöglich nicht einverstanden mit dem gemeinsamen Tod? Was war letztlich der Auslöser des Dramas, das erst knapp drei Wochen nach den tödlichen Schüssen entdeckt wurde? Denn schon am 1. Oktober 1992 hatte Bastian späteren Ermittlungen zufolge Kelly mit einer Pistole der Marke Derringer in die Schläfe geschossen und anschließend sich selbst in die Stirn. Beide waren sofort tot, ein Abschiedsbrief wurde nicht gefunden.
Ein ungleiches Paar mit dem gleichen Ziel
Kelly und Bastian waren ein ungleiches Paar - hier die friedensbewegte Politologin, die in Washington und Amsterdam studiert und später bei der EU-Kommission in Brüssel gearbeitet hatte, dort der gelernte Buchbinder, der bei der Bundeswehr zum Kommandeur einer Panzerdivision aufgestiegen war.
1983 zogen die Grünen in den Bundestag ein. Die Abgeordneten Gert Bastian, Petra Kelly, Otto Schily und Marieluise Beck-Oberdorf (von l. nach r.) auf dem Weg zum Bundesparlament.
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Anfang der 80er-Jahre lernten sich das Ex-SPD-Mitglied Kelly und der frühere CSUler Bastian bei den Grünen kennen - der vorzeitig pensionierte General hatte sich zwischenzeitlich der Friedensbewegung angeschlossen und galt fortan als prominenter Kritiker des Nato-Nachrüstungsbeschlusses. Die rastlose Kelly war damals erste Vorstandssprecherin der gerade gegründeten Grünen.
1983 gehörten Kelly und Bastian zur ersten Grünen-Fraktion im Bundestag. Doch Mitte der 80er-Jahre überwarfen sich die beiden mit ihrer Partei. Nachdem die Friedensbewegung den Vollzug des Nato-Doppelbeschlusses nicht verhindern konnte, gab es bei den Grünen innerparteilichen Streit.
Jahre später prangerte Kelly in einem offenen Brief "Selbstzerfleischung" und "lähmende Flügelkämpfe" in der Partei an. Bei einem Parteitag im Frühjahr 1991 schließlich konnte sich die frühere Grünen-Symbolfigur Kelly mit einer neuen Kandidatur für den Parteivorstand nicht mehr durchsetzen.
Zuletzt lebte das Paar weitgehend zurückgezogen
Es wurde politisch einsam um das unzertrennliche Paar, dem Eigenwilligkeit und ein ausgeprägter Hang zum Einzelkämpfertum nachgesagt wurde. Nach einem kurzen Zwischenspiel mit einer eigenen Fernsehsendung lebte Kelly, die jahrelang unter Angstzuständen gelitten haben soll, mit Bastian weitgehend zurückgezogen in dem Reihenhaus in Bonn-Tannenbusch.
Motive und Hintergrund der Tat sind bis heute nicht abschließend geklärt.
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Einen Monat nach der Tat nahmen rund 2000 Menschen aus der ganzen Welt in der Bonner Beethovenhalle Abschied von den beiden Grünen-Politikern. Bei der bewegenden Trauerfeier wurden auch Zweifel an der Theorie einer doppelten Selbsttötung laut. So bekannte damals der Schriftsteller Lew Kopelew, er glaube nicht an Suizid: Kelly und Bastian "wären nicht von uns gegangen, ohne es uns zu erklären".
Zugleich forderten Intellektuelle und Umweltschützer aus 13 Staaten eine gründliche Untersuchung der Todesfälle. In einem in Mexiko-Stadt veröffentlichten Aufruf verwiesen sie ausdrücklich darauf, dass die beiden Grünen-Politiker sich gegen Rechtsextremismus in Deutschland engagiert hätten - und dass sie deswegen Berichten zufolge Drohungen von Neonazibanden erhalten hätten.
Dass Bastian der Täter war, galt freilich schon kurz nach Entdeckung der Leichen als gesichert. Allerdings gab es in der Folgezeit immer wieder Zweifel daran, dass Kelly wirklich sterben wollte. Erschoss Bastian seine Lebensgefährtin ohne deren Einwilligung? Die letzte Wahrheit über seinen Tod nahm das Paar mit ins Grab.
Quelle: ntv.de, Richard Heister, AFP