Deichbruch in Sachsen-Anhalt Dritter Kahn schließt Lücke
16.06.2013, 19:37 Uhr
Diese Aufnahme zeigt die Sprengung der beiden ersten Kähne am Samstag.
(Foto: dpa)
Weil aus einem gebrochenen Deich in Sachsen-Anhalt Wassermassen ungebremst fließen, versenken Einsatzkräfte am Samstag zwei Lastkähne. Tatsächlich lässt sich das Leck auf diese Weise verkleinern. Nur eine Lücke von etwa 20 Metern bleibt - die schließt nun ein dritter Kahn.
Gesprengte Schiffe als Stöpsel für einen gebrochenen Deich - Sachsen-Anhalt hat das Experiment gewagt und gewonnen. Mit ihrer Aktion haben die Einsatzkräfte wohl weitere Flächen zwischen Elbe und Havel vor der Überflutung bewahrt. Noch nie habe es so eine Aktion in Deutschland gegeben, sagt der Kommandeur des Landeskommandos Sachsen-Anhalt, Oberst Claus Körbi.
Am Samstag gelang es, zwei Lastkähne vor dem etwa 90 Meter langen Deichbruch bei Fischbeck an der Elbe auf Grund zu setzen und damit einen Großteil der Lücke zu schließen. Nun wurde ein drittes Schiff in Position gebracht und versenkt, um das Leck endgültig zu stopfen. Bis dato hatten die riesigen schwimmenden Wannen Fracht transportiert.
Gegen die schier unendlichen Wassermassen sahen die Experten kein anderes Mittel, als die ausgemusterten, antriebslosen Lastkähne zu versenken. Selbst riesige, tonnenschwere Pakete mit Steinen oder Sand wären Hunderte Meter weggetrieben worden - schlichtweg wirkungslos.
"Wir haben nichts zu verlieren"
Durch das Loch im Deich sind nach Angaben des Krisenstabes der Landesregierung rund 300 Kubikmeter Wasser pro Sekunde geströmt. Ein Ende war nicht abzusehen. Immer mehr Ortschaften mussten geräumt werden, Tausende Menschen sind betroffen. Während etwa in Bayern, Thüringen und Sachsen längst Aufräumen angesagt ist, wurde es im Elbe-Havel-Winkel immer noch schlimmer.
"Wir haben nichts zu verlieren", hatte Oberst Körbi vor der Aktion gesagt. Im schlimmsten Fall würden zwei gesprengte Lastkähne in der Landschaft stehen. Im besten Fall würde die Flut reduziert oder das Loch im Deich gan z abgedichtet. Also kaufte Sachsen-Anhalt am Freitag nach einer Entscheidung des Krisenstabs kurzerhand zwei ausgemusterte Schiffe. Sie sollen mehrere hunderttausend Euro gekostet haben. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) verkündete den waghalsigen Plan am Abend, da erkundeten Pioniertaucher schon die Wassertiefen.
Am Morgen darauf setzten Hubschrauber von Bundeswehr und Bundespolizei Panzersperren aus verschweißten Doppel-T-Stahlträgern über dem Deichbruch ab. Sie waren die Grundlage dafür, dass die versenkten Schiffe tatsächlich hängenbleiben konnten und nicht abgetrieben wurden. Am Kloster Jerichow, das nur wenige Kilometer von der Deichbruchstelle weithin sichtbar aus der platten Landschaft ragt, wird die B 107 zum zentralen Anflugort für neun Hubschrauber. Im Minutentakt nahmen sie riesige Netze und Pakete mit Basalt-Brocken und Sandsäcken auf und brachten sie an den Deich.
Es blieb eine Öffnung von 20 Metern
Am Abend dann wurden die beiden Lastkähne, die ein Schubschiff hergebracht hatte, mit Präzision hineinmanövriert und gesprengt. Die erste Detonation war um 19.48 Uhr weithin hörbar. Der Innenminister wartete nervös auf der Terrasse eines nahe gelegenen Lokals. "Jetzt müssten die Hubschrauber langsam hoch", sagte er angespannt. Anders als erwartet stiegen die Helikopter nicht gleich in die Luft auf. Ihre Aufgabe war es, so schnell wie möglich die Kähne mit großen Sandsäcken zu beschweren und sie am Wegtreiben zu hindern.
Wenig später stand fest: Nur ein Kahn lag auf Grund. Die zweite Sprengung um 20.11 Uhr setzte Kahn Nummer zwei fest. Allerdings war der Deichbruch nicht komplett geschlossen. Es blieb eine Öffnung von rund 20 Metern, wie Oberst Körbi nach einem ersten Hubschrauberflug über der Einsatzstelle feststellte. Dann begann die Hubschrauberflotte fast wie an einer Perlenschnur aufgereiht, die versenkten Schiffe mit schweren Paketen zu füllen.
Um die Deichöffnung komplett zu schließen, orderte Sachsen-Anhalt kurz nach der Aktion ein weiteres Schiff. Kahn Nummer drei wurde am Sonntagabend vor der verbliebenen Lücke auf Grund gesetzt. Und noch einmal stiegen Hubschrauber auf, um nun auch das letzte kleine Leck zu stopfen. Die waghalsige Aktion scheint geglückt.
Quelle: ntv.de, dpa