111 Krankenkassen betroffen Hebamme ergaunert halbe Million
23.02.2015, 15:37 Uhr
Die angeklagte Hebamme soll gleich unter mehreren Namen Leistungen erbracht oder vorgetäuscht haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit einem ausgeklügelten Betrugssystem soll eine Hebamme jahrelang bei Krankenkassen abkassiert haben. Darunter litten nicht nur die Kassen, sondern auch die Wöchnerinnen. Vor Gericht präsentiert die Angeklagte abenteuerliche Erklärungen.
Hochgesteckte Haare, auffällige weiße Brille, dunkler Pullover - so erscheint die Hebamme vor Gericht. Als der Prozess beginnt, weint die 59-Jährige. Mehrfach greift sie zum Taschentuch. So etwas werde das Gericht nicht beeinflussen, sagt der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth. "Und es hat auch keinen Sinn, etwas auf Dritte abzuwälzen." Die Angeklagte soll über Jahre 111 Krankenkassen hinters Licht geführt haben, vielleicht sogar noch mehr. "Da fragt man sich auch: Wie ist sowas so einfach möglich?", sagt Kleinschroth.
Mit einem ausgeklügelten System soll die Hebamme über Jahre mehr als 100 Krankenkassen um fast eine halbe Million Euro betrogen haben. Vor dem Landgericht Heilbronn räumt die 59-Jährige gewerbsmäßigen Betrug zwar ein, sie sei aber ein Opfer ihrer "persönlichen und wirtschaftlichen Entwicklung" gewesen. Sie habe viel Pech gehabt, immer mehr Schulden angehäuft, sei auf falsche Finanzberater hereingefallen und habe bei Spekulationen viel Geld verloren.
Wöchnerinnen vernachlässigt
Die Idee für das Betrugssystem sei von einem Bekannten gekommen, so die Angeklagte. Der nahm sich das Leben, als die Sache Anfang 2014 aufflog. Seit 2003 soll die Frau durch Abrechnung teils erbrachter, überwiegend aber wohl vorgespielter Leistungen "eine erhebliche Einnahmequelle" erschlossen haben, heißt es.
Erst erfand sie laut Anklage eine Hebamme namens Hildegard, später auch noch eine Franziska. Zunächst seien die falschen Identitäten nur dazu dagewesen, Steuern zu sparen, sagt die 59-Jährige. Von 2009 an habe sie dann mit den Kassen aber auch Leistungen abgerechnet, die niemals erbracht worden seien.
Beschwerden von Wöchnerinnen über mangelhafte Betreuung ließen das lukrative System dann irgendwann auffliegen. Über die Beschwerdestelle für Hebammen beim Landratsamt Heilbronn wurde das Regierungspräsidium Tübingen aufmerksam. Die Angeklagte hatte ihre Ausbildung einst in Tübingen gemacht.
Geld nach Ägypten und Dubai gebracht
Es fiel auf, dass zwei Hebammen an derselben Adresse und mit demselbem Nachnamen geführt wurden. Die Staatsanwaltschaft bündelte die Betrügereien und spricht von 111 Vergehen, die jeweils den verschiedenen Krankenkassen zugeordnet wurden. Liste man alle falschen Abrechnungen oder gefälschten Unterschriften auf, komme man auf 1600 Einzeltaten allein in den vergangenen fünf Jahren. Alles was davor passierte, ist verjährt.
Klar wurde zu Prozessauftakt aber auch, dass die 59-Jährige das Betrugssystem schon viel früher aufbaute. Der entstandene Schaden könnte somit im Millionenbereich liegen. Die Angeklagte berichtet mit leiser Stimme von teils abenteuerlichen Finanzspekulationen, auf die sie immer wieder reingefallen sei. So erzählte sie von einem Konto in Ägypten und einer vielversprechenden Geldanlage in Dubai, bei der ihr ein Millionengewinn versprochen worden sei. Für "das Kaufmännische" habe sie sich aber stets Hilfe geholt - "da hatte ich immer Schwierigkeiten." Der Angeklagten droht eine Haftstrafe. Das Urteil soll am 2. März gesprochen werden.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa