Nazi-Parolen in Mügeln Hetzjagd auf Inder
20.08.2007, 07:14 UhrNach der Hetzjagd auf acht Inder im sächsischen Mügeln deutet alles auf eine ausländerfeindliche Tat hin. Während des Angriffs seien "Ausländer raus"-Rufe laut geworden, sagte der Leiter der Polizeidirektion Westsachsen, Steffen Bergt. Passanten hätten nicht eingegriffen, sondern tatenlos dabei zugesehen, wie die Inder zusammengeschlagen worden seien. Die acht waren in der Nacht zum Sonntag auf einem Stadtfest von etwa 50 deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen angegriffen und quer über den Marktplatz gejagt worden. Sie fanden schließlich Schutz in einer Pizzeria. 14 Menschen wurden verletzt.
Unter den Verletzten waren vier Angreifer, zwei Polizisten und alle acht Inder: Sie erlitten Bergt zufolge unter anderem Blutergüsse im Gesicht. Noch in der Tatnacht wurden zwei Verdächtige, ein 21- und ein 23-Jähriger, vorübergehend festgenommen. Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sagte, es habe erhebliche Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und der alkoholisierten Menschenmenge gegeben. Bis zu einem endgültigen Urteil müssten aber noch Zeugen gehört werden.
Die Polizei bildete eine Sonderkommission unter Beteiligung des Staatsschutzes. Es werde zunächst wegen Landfriedensbruchs ermittelt, sagte Bergt. Nach Angaben des designierten Landespolizeipräsidenten Bernd Merbitz wird zudem wegen Volksverhetzung ermittelt. Zugleich widersprach der Polizeichef Äußerungen des Mügelner Bürgermeisters Gotthard Deuse, wonach die Polizei vorgewarnt worden sei: "Es gab im Vorfelde keinerlei Hinweis auf solch einen Zwischenfall. Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt von einer Spontanhandlung aus", sagte er. Deuse versicherte, er habe die Polizei über entsprechende Gerüchte informiert.
Nach der Hetzjagd auf die Inder wurden erneut Versäumnisse von Politikern und fehlende Zivilcourage von Bürgern angeprangert. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Die Übergriffe von Mügeln sind ein ganz entsetzliches Ereignis, überraschend kommt es aber nicht." Die rechte Szene radikalisiere sich zunehmend, das traurige Resultat habe sich am Sonntag in Sachsen einmal mehr gezeigt. Edathy forderte die Verantwortlichen in Kommunen und Ländern auf, "die Lage nicht länger zu beschönigen, sondern endlich energisch gegenzusteuern".
Inder hatten Todesangst
Auslöser der Gewalttätigkeiten war ein Streit Sonntagnacht kurz vor 01.00 Uhr auf der Tanzfläche im Festzelt. Eines der Opfer, der 39 Jahre alte Kulvir Singh, sagte, dass er noch im Zelt mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen worden sei. Auch sein Auge sei getroffen worden. Seine Landesleute seien mit Reizgas angegriffen und ebenfalls geschlagen worden. In der Pizzeria hätten sie sich zusammen mit zwei Polizisten eingeschlossen. Ohne die Polizisten hätten die Angreifer sie vielleicht totgeschlagen.
Laut Polizei hatte der Inhaber der Pizzeria, ebenfalls ein indischer Staatsangehöriger, die anderen durch einen Nebeneingang hereingelassen. "Eine Gruppe von zirka 50 deutschen Veranstaltungsteilnehmern und zahlreiche Schaulustige folgten den Flüchtenden", berichtete die Polizei weiter. Einige hätten die Eingangs- und Hintertür eingetreten und das Auto des Pizzeria-Besitzers stark beschädigt.
Bürgermeister Deuse äußerte im MDR die Vermutung, dass es sich bei den Tätern um Auswärtige gehandelt haben könnte. "Wenn es rechtsextreme Geschehnisse waren, dann kamen die Täter nicht aus Mügeln", behauptete er. Besonders peinlich: Die Opfer waren laut Deuse auf Einladung der Stadt bei dem Volksfest.
Quelle: ntv.de