Keine Erinnerung an genaue ZahlMutter aus Wallenfels gesteht Babytötungen

Acht tote Babys findet die Polizei im Haus von Andrea G. - verwest, eingepackt in Plastiktüten, zusammen mit Unrat. Mindestens vier der Säuglinge hätten leben können. Zum Prozessauftakt lässt die Mutter ein Geständnis verlesen.
Die Stimme der Stieftochter bricht unter Tränen. "Es hat ja keiner geglaubt, dass es so ist, wie es ist", erinnert sie sich an den Moment, als sie im November in der Sauna ihres Vaters und ihrer Stiefmutter Andrea G. eine Kiste öffnete. Sie sah ein blutiges Handtuch, dann ein Stück von einem Babykopf. Später wurden in der Wohnung im oberfränkischen Wallenfels sieben weitere Babyleichen gefunden.
Andrea G. hört sich die Schilderungen ihrer Stieftochter und von anderen Zeugen ohne Regung an. Über Stunden hält sie die rechte Hand vor ihr Gesicht. So können weder ihr neben ihr auf der Anklagebank sitzender Noch-Ehemann noch die Zuschauer im Gerichtssaal ihr Gesicht sehen.
In einer Erklärung schildert Pflichtverteidiger Till Wagler die acht Geburten zwischen 2003 und 2013. "Dieser Ablauf von Schwangerschaft und Geburt war fast immer ähnlich", sagt er. Die Schwangerschaften habe G. stets spät bemerkt, die Geburten dann allein in Küche oder Wohnzimmer im Stehen vollzogen.
Mund und Nase zugehalten
Ob lebend oder tot geboren - G. soll alle Babys in Handtücher gewickelt und diese um die Köpfe etwas fester gezogen haben. Wenn ein Kind noch Lebenszeichen gab, hielt sie Mund und Nase zu, bis es tot war. Bei wie vielen Babys sie dies gemacht habe, wisse sie nicht. "Es können zwei, drei oder auch vier gewesen sein", sagt Wagler.
Die Staatsanwaltschaft geht von vier Morden aus. Bei drei Säuglingen war wegen der Verwesung keine Obduktion mehr möglich. Ein Kind soll tot zur Welt gekommen sein.
Oberstaatsanwalt Christoph Gillot sagt, er sehe bei Andrea G. und ihrem wegen Beihilfe mitangeklagten Mann "sexuellen Egoismus, Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit" als Tatmotiv. Die beiden hätten nach drei gemeinsamen Kindern kein weiteres Kind gewollt.
Ihr Verteidiger beschreibt Andrea G. als verschlossen. "Selbst ihre beste Freundin wusste nur Bruchstücke dessen, was meine Mandantin beschäftigt", sagt er. Auch in ihrem Ehemann scheint sie niemanden gehabt zu haben, mit dem sie sprach.
Nur ihre Mutter scheint die Abgründe erahnt zu haben. "Sehr nachdrücklich" habe sie nach der Geburt der drei gemeinsamen Kinder des Ehepaars und noch vor der Mordserie auf eine Sterilisation gedrungen, sagt Wagler. Ihr Mann brachte G. bis zur Klinik - doch sie ging nicht zum vereinbarten Termin, sondern versteckte sich heimlich in einer Pension.
Beichte im Alkoholrausch
Die Morde flogen auf, weil Andrea G. sich einen Geliebten nahm. Ihre Stieftochter warf sie daraufhin aus der elterlichen Wohnung. Beim Aufräumen entdeckte die Familie zunächst dutzende Tüten mit unbenutzten Waren, die Andrea G. gekauft und damit die Familien in die Schulden geführt hatte. Hinzu kamen kistenweise unerledigte Rechnungen und Briefe.
"Sie ist eine notorische Lügnerin", sagt Johann G. über seine Frau. Allerdings scheint er es ihr leicht gemacht und die Lügen nie hinterfragt zu haben. Die Gewichtszunahme bei den Schwangerschaften erklärte sie durch die Wechseljahre.
Doch seine Frau soll ihm im Alkoholrausch auch von einem toten Baby erzählt haben. Aber erst nach dem Rauswurf erzählte er seiner Tochter davon, die daraufhin mit der Suche begann und den schrecklichen Fund machte.
Voraussichtlich in der kommenden Woche könnte ein Urteil fallen. Der Anwalt von Andrea G. will eine Verurteilung wegen Mords verhindern. Niedere Beweggründe sieht er nicht. "Ich gehe eher von einem Totschlag aus als von einem Mordvorwurf", sagt Wagler.