Panorama

Bachmeier erschießt Kindsmörder Mutter schreibt Justizgeschichte

Racheengel oder eiskalte Mörderin? Vor 30 Jahren erschoss Marianne Bachmeier im Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer kleinen Tochter. Es war der erste Fall von Selbstjustiz in einem deutschen Gericht. Die Tat sorgt auch heute noch für geteilte Meinungen.

Bachmeier verübte im Lübecker Gerichtssaal Selbstjustiz. ...

Bachmeier verübte im Lübecker Gerichtssaal Selbstjustiz. ...

(Foto: picture-alliance/ dpa)

War es die Verzweiflungstat einer Mutter, die ihr Kind durch ein schreckliches Verbrechen verloren hatte, oder war es schnöder Mord? Am 6. März 1981 erschoss die Gastwirtin Marianne Bachmeier (1950-1996) in einem Lübecker Gerichtssaal den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter Anna. Auch heute, 30 Jahre nach der Tat, gehen die Meinungen über die Schuld Bachmeiers auseinander. Angesichts immer neuer Gewaltverbrechen an Kindern sagen nicht wenige Eltern: "Wenn es mein Kind beträfe, würde ich auch so handeln."

Heftige Diskussion um Selbstjustiz

Der 6. März 1981 war der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen den damals 35-jährigen Schlachter Klaus Grabowski, der wegen Mordes an der kleinen Anna angeklagt war. Er soll das Mädchen knapp ein Jahr zuvor in seiner Wohnung vergewaltigt und getötet haben. Zeugen erinnern sich: Marianne Bachmeier sei vor Verhandlungsbeginn äußerlich ganz ruhig in den Gerichtssaal gekommen, habe eine Waffe gezogen und gezielt auf Grabowski geschossen, der ihr den Rücken zukehrte.

... Am dritten Prozesstag erschoss sie Klaus Grabowski, den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder ihrer 7-jährigen Tochter.

... Am dritten Prozesstag erschoss sie Klaus Grabowski, den mutmaßlichen Vergewaltiger und Mörder ihrer 7-jährigen Tochter.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Die Tat der damals 31 Jahre alten Gastwirtin, die in der Lübecker Altstadt eine Kneipe betrieb, löste in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion um Selbstjustiz und den Umgang der Justiz mit Sexualstraftätern aus. Der wegen Sexualverbrechen an Kindern vorbestrafte Grabowski hatte sich freiwillig kastrieren lassen, war später aber mit Genehmigung eines Gerichtes mit Hormonen behandelt worden.

"Der Fall Bachmeier war meines Wissens der erste Fall von Selbstjustiz in einem deutschen Gericht", erinnert sich der Lübecker Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schulz. Er war zum Tatzeitpunkt Dezernent in der Abteilung für Kapitalverbrechen und vertrat später im Prozess gegen die attraktive Gastwirtin die Anklage. Sie wurde im März 1983 wegen Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Bild der liebenden Mutter bekommt Risse

Der Prozess gegen Bachmeier stieß auf ein gewaltiges Interesse. Mehr als 100 Journalisten reisten an, der Zuschauerandrang war so gewaltig, dass das Gericht in den Sitzungssaal des Landesbauamtes mit Platz für 200 Zuschauer umziehen musste. Es waren vor allem Frauen, die den 15 Monate dauernden Prozess gegen "Mutter Bachmeier" verfolgten. Doch das Bild von der liebenden Mutter bekam auch Risse. Marianne Bachmeier hatte zwei ihrer drei Töchter gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Tut eine liebevolle Mutter das, fragten manche.

Der Prozess gegen Bachmeier fand unter großer medialer Beobachtung statt.

Der Prozess gegen Bachmeier fand unter großer medialer Beobachtung statt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit ihrer Rolle im Rampenlicht, in die Marianne Bachmeier sich selbst durch ihre Tat katapultiert hatte, ist sie für den Rest ihres ruhelosen Lebens nur schwer fertig geworden. Nach ihrer vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis 1985 heiratete sie einen Afrikaner und zog mit ihm nach Nigeria. Nach ihrer Scheidung 1990 ging sie nach Sizilien, pflegte in einem Hospiz in Palermo Sterbende, schrieb ein autobiografisches Buch "Palermo - Amore mio".

Eine Frau, die gerne im Mittelpunkt stand

Wenige Monate vor ihrem Krebstod 1996 bat sie den Journalisten Lucas Maria Böhmer, einen Dokumentarfilm über ihre letzten Monate zu drehen. Auch das war Marianne Bachmeier: eine Frau, die gerne im Mittelpunkt stand. Im September 1996 starb sie in einer Lübecker Klinik und fand ihre letzte Ruhestätte an der Seite ihrer Tochter in Lübeck.

Quelle: ntv.de, Eva-Maria Mester, dpa

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