Späte literarische Entdeckung New Yorker macht Fallada weltberühmt
17.02.2011, 13:33 Uhr
Dennis Johnson (im Bild) ist begeistert von Hans Fallada.
(Foto: picture alliance/dpa)
Hans Fallada gilt ebenso wie Bert Brecht als Schriftsteller der "Neuen Sachlichkeit". Aber anders als Brecht blieb Fallada im Ausland weitgehend unbekannt. Das ändert sich jetzt.
Sechs Jahrzehnte nach seinem Tod macht Hans Fallada (1893-1947) eine beispiellose Karriere. Nicht nur gelang es, sein unter den Augen der Nazis verschlüsselt geschriebenes Tagebuch endlich zu dechiffrieren. Durch den Fund eines frühen Manuskripts kommt auch sein Meisterwerk "Jeder stirbt für sich allein" erstmals ungekürzt auf den Markt. Vor allem im Ausland, wo Fallada bisher so gut wie unbekannt war, gewinnt der deutsche Autor nun endlich die Aufmerksamkeit, die ihm eigentlich schon zu Lebzeiten zu stand.
Zu verdanken hat er den späten Ruhm einem New Yorker Verleger. Dennis Johnson ist der Gründer und Chef des unabhängigen Verlages Melville House in Brooklyn. Er war 2006 durch das Buch "Der Trinker" auf Fallada gestoßen und sofort Feuer und Flamme. "Eine solche Wortgewalt! Ich fand seine Art zu schreiben einfach großartig", sagte Johnson, "ebenso die Gedankengänge".
Aus Scham wird Begeisterung

Hans Fallada ist einer der bedeutendsten deutschen Literaten des 20. Jahrhunderts.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In die Begeisterung mischte sich auch so etwas wie Scham: "Ich hielt mich für einen gut belesenen Modernisten. Wieso wusste ich nicht von Fallada?" Vom Goethe Institut in Manhattan hörte Johnson von einem Deutsch-Professor an der Yale Universität. "Henry Turner hält Fallada für einen der größten deutschen Autoren überhaupt. Er hatte 'Jeder stirbt für sich allein' nur für sich ins Englische übertragen. Nicht sehr gut, aber es reichte, mich endgültig zu überzeugen", erzählt Johnson.
Der US-Verleger reiste nach Berlin, erwarb die Rechte für die seiner Meinung nach "vier größten Werke" des verstorbenen Deutschen: "Jeder stirbt für sich allein", "Der Trinker", "Kleiner Mann - was nun?" und "Wolf unter Wölfen" - und ließ sie übersetzen. Als der britische Großverlag Penguin Books bei Melville House anklopfte, teilte sich Johnson die Rechte für "Every Man Dies Alone" mit ihm. Penguin Books verlegt das Buch unter dem Titel "Alone in Berlin". "Es ist aber unser Text", eine Arbeit des preisgekrönten Übersetzers Michael Hofmann, sagt Melville-Chef Johnson.
"Jeder stirbt für sich allein" bald im Kino
Heute ist die wahre Geschichte vom Widerstand kleiner Leute gegen den Nationalsozialismus zum internationalen Bestseller geworden. Ein gutes Dutzend renommierter Zeitungen in den USA und England kürten den Roman, den Fallada 62 Jahre zuvor basierend auf Gestapo-Akten in 24 Tagen geschrieben hatte, zum "Besten Buch von 2009". Laut Johnson wird "Jeder stirbt für sich allein" heute "in fast jede europäische Sprache übersetzt, hat großen Zuspruch in Nord- und Südamerika, in Australien und vor allem in Israel". Der französische Schauspieler Vincent Pérez und der deutsche Produzent Stefan Arndt gewannen das Rennen um die Filmrechte und wollen Falladas Geschichte ins Kino bringen.
Von dem weltweiten Erfolg überwältigt, will Penguin Books jetzt auch die anderen Bücher des neuentdeckten deutschen Klassikers auf dem internationalen Markt anbieten, manche 80 und mehr Jahre nach ihrer Entstehung. "Es war sehr ungerecht, dass er so lange übersehen wurde, eine literarische Ungerechtigkeit", sagt Johnson. "Fallada war nicht nur ein herausragender Schriftsteller, er war auch ein faszinierender Mensch."
Wie die Neuerfindung Tolstois
Dass er diesem Mann, der eigentlich Rudolf Ditzen hieß, und seinem Werk quasi zur "Wiederauferstehung" verhelfen konnte, machte den New Yorker Verleger sehr stolz. "So eine Gelegenheit hat man vielleicht einmal im Leben", sagt Johnson. Immer wieder bedankten sich Buchhändler bei ihm für die Fallada-Bücher. "Es ist fast so, als hätte ich einen Tolstoi neu entdeckt."
Quelle: ntv.de, Gisela Ostwald, dpa