Neues Programm vermittelt Herz und Nieren per SMS Organe Hingerichteter in China bald tabu
30.05.2013, 18:06 Uhr
(Foto: dpa)
Bislang stammen die meisten Spenderorgane in China von hingerichteten Straftätern. Jetzt soll ein neues Verteilungssystem diese Praxis beenden. Eine transparente und gerechte Regelung soll auch die schlechte Spendebereitschaft der Chinesen wieder ankurbeln. Denn dem Land fehlt es massiv an Organen.
China mangelt es an Spenderorganen. Die Spendebereitschaft der Bevölkerung ist äußerst schwach. Nicht nur aus kulturellen Gründen, sondern vor allem, weil die Menschen befürchten, dass die gespendeten Organe missbraucht würden. Ein funktionierendes System für Organtransplantationen gibt es China bislang nämlich nicht. Der Großteil der Organe stammt von hingerichteten Straftätern – eine äußerst umstrittene Praxis. Doch es werden immer weniger Todesurteile vollstreckt. Die Zahl ist geheim, soll sich aber auf 3000 mehr als halbiert haben. Seit 2007 müssen der Todeskandidat und seine Familie der Spende außerdem zustimmen. Auch der illegale Organhandel wird stärker bekämpft.
Ein neues patientenorientiertes Verteilungssystem soll jetzt Abhilfe schaffen. 2009 begannen chinesische Experten, die Spenderprogramme in 15 Ländern zu studieren, um einen Plan für ein eigenes System zu erstellen. Im April 2011 ging das Computerprogramm "China Organ Transplant Response System" (COTRS) versuchsweise online. Es ermittelt anhand der Schwere der Krankheit, Wartezeit und Entfernung einen passenden Empfänger. Die registrierten Patienten und ihre Krankenhäuser erhalten dann eine automatische SMS, dass ein Organ zu Verfügung steht. Innerhalb von einer Stunde müssen sie entscheiden, ob das Organ angenommen wird, sonst bekommt es der nächste auf der Liste.
Allein das System regelt die Verteilung der Organe
"Der wichtigste Grundsatz ist die Trennung der Macht", erklärt Wang Haibo, Direktor des neuen Koordinierungszentrums in der südchinesischen Metropole Shenzhen, das bald landesweit alle Organtransplantationen organisieren wird. "Die Krankenhäuser haben keine Befugnis, ein Organ zu beantragen. Allein das System entscheidet, wer welches Organ bekommt". Die Verantwortung sei klar geregelt. "Die Ausgabe von Organen ist die Zuteilung von Leben." Deswegen müsse das System "offen, transparent und gerecht" sein. Sonst werde es im Volk auch nicht akzeptiert. Auch die Datenspezialistin Jiang Wenshi versichert: "Es sammelt keine Informationen über Einkommen, Bildung oder offizielle Stellung. Das System weiß nicht, ob der Patient ein Präsident oder ein einfacher Bürger ist."
Im April 2011 vermittelte das Netzwerk erstmals ein Organ. Seitdem wurden etwa 650 Organe über das System vermittelt. Eines davon an die 38 Jahre alte Bäuerin Huang Xiaoyan. Sie bekam kürzlich eine neue Leber. Ohne das Spenderorgan wäre sie längst tot. "Ich wüsste gerne, wer das Organ gespendet hat", sagt sie. "Ich will es wissen, aber die Ärzte sagen es mir nicht." Das Krankenhaus behandelt persönliche Daten von Spendern grundsätzlich vertraulich. Ein paar Informationen gibt es auf Nachfrage dann doch: "Ein Todesfall bei einem Unfall", verrät ein Arzt. "Die Familie war bereit, die Leber zu spenden." Nach Angaben von Ärzten kostet eine Transplantation die Patienten zwischen 100.000 und 200.000 Yuan (12.600 bis 25.300 Euro), ohne die 30.000 bis 50.000 Yuan für Organentnahmen sowie die Folgebehandlungen mitzurechnen. Der Mann der Bäuerin Huang Xiaoyan lieh sich das Geld von Verwandten und Freunden: "Wir haben alles hergegeben, um sie zu retten."
Kooperation mit Hinrichtungsplätzen soll enden
Bisher sind 164 Krankenhäuser an die Organverteilung angeschlossen, 300 sollen es werden. Zentrumschef Wang Haibo meint, das Gesundheitsministerium in Peking werde "bald" entscheiden, dass alle Kliniken, die Transplantationen vornehmen wollen, nur noch über dieses System gehen können. Dafür müssten sie eigene Programme für Organspenden starten und Werbung machen, damit in ihrem Krankenhaus auch mehr Organe nach Herz- oder Gehirntod gespendet werden. Denn eins stehe fest: "Die Nutzung von Organen Hingerichteter wird von unserem Verteilungssystem ausgeschlossen", sagt Wang Haibo. "Kliniken bekommen keine Lizenz, wenn sie ein solches Organ nehmen. Da gibt es null Toleranz", betont er. "Die Politik ist eindeutig: Wir können uns nicht mehr auf Organe exekutierter Straftäter stützen." Ein schwieriges Vorhaben, wie alle einräumen. Kliniken wurden bereits aufgefordert, ihre Kooperation mit Hinrichtungsplätzen zu unterbinden.
Die Bäuerin Huang Xiaoyan ist überzeugt von dem neuen System: "Ich bin sehr bewegt, dass es so einen gutherzigen Menschen gab, der für mich gespendet hat", sagt die 38-Jährige. Sie selber habe früher nie über Organspenden nachgedacht - bis ihr Leben dadurch gerettet wurde. "Ich würde andere gerne ermutigen, zur Spende bereit zu sein."
Quelle: ntv.de, dpa