Angst vor Krokodil Polizei fahndet nach Elendsdroge
13.10.2011, 15:11 UhrDie Droge ist billig und selbst herzustellen - Krokodil. Im Ruhrgebiet geht die Angst um vor der Substanz, die Konsumenten in kürzester Zeit verelenden lässt. Die Behörden wollen kein Risiko eingehen - und denken darüber nach, Konsumenten Straffreiheit zu gewähren.

Ein Heroinabhängiger bereitet sich einen Druck vor. Oftmals ist der Stoff gestreckt. Inzwischen auch mit Krokodil?
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Ruhrgebiet wächst die Sorge vor der Elendsdroge Krokodil. Polizei und Behörden sind bereits so sehr alarmiert, dass sie erwägen, Konsumenten Straffreiheit zu garantieren, sofern diese aussagen. "Wir werden in solchen Fällen eine Einstellung der Verfahren sehr wohlwollend prüfen", sagte Christian Kuhnert, Staatsanwalt aus Bochum. Das Betäubungsmittelgesetz erlaube das bei Selbstanzeigen ohne Schwierigkeiten.
Bislang tappen die Ermittler im Dunklen, ob und wenn wie die hochpotente Droge im Umlauf ist. Fest steht nur: Es gibt deutliche Hinweise – in vier Fällen. In dem Glauben, reines Heroin zu spritzen, rechneten die Konsumenten nicht mit schweren Folgen. Und doch: Im Anschluss kam es zu erheblichen Haut- und Weichteilschäden, zu Nekrosen. Krokodil lässt die Haut faulen, es gibt riesige Eiterbeulen. Ein handfester toxikologischer Nachweis für die russische Droge steht aber noch aus. Und er wird auch schwierig, weil die Wirkstoffe schnell wieder aus dem Körper verschwinden.
Gerade deshalb bemüht sich die Polizei um direkten Kontakt mit Betroffenen. "Die Abhängigen wagen sich aus Angst vor Strafe nicht zu uns in die Höhle des Löwen", weiß der Bochumer Polizeisprecher Jürgen Leimanzik. Ohne deren Berichte sei die Gefahr aber kaum einzuschätzen. Die Bochumer Krisenhilfe, die Kontakt zu den Konsumenten hat, gibt aber bislang deren Identität nicht preis – zum Schutz. Daher nun die Überlegung, Straffreiheit zu gewähren. Immerhin: Die Polizei hat nach eigenen Angaben Proben von illegalen Substanzen in ein Labor gegeben. Erste Ergebnisse gibt es an diesem Freitag.
Kreislauf der Erschöpfung
Krokodil enthält das Betäubungsmittel Desomorphin und verursacht einen ähnlichen Rausch wie Heroin. Das US-amerikanische Magazin "Time" beschreibt Krokodil als "dreckigen Cousin" von Morphin, der sich in der russischen Jugend wie ein Virus ausbreite. Die in Bochum beobachteten Defekte sind nur der Anfang eines drastischen körperlichen Verfalls, der bei ständigem Konsum nach spätestens drei Jahren mit dem Tod endet. Laut "Time" nahmen im vergangenen Jahr zwischen einigen hunderttausend und einer Million Menschen in Russland Krokodil.
Die Angst, dass Krokodil nach Deutschland schwappt, ist laut Kennern der hiesigen Drogenszenen sehr berechtigt. So gibt es seit einigen Jahren eine immense Crack-Welle. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich bei den meisten Nutzern illegaler Substanzen ein sogenannter Mischkonsum: Nicht mehr nur eine Droge wird konsumiert, sondern verschiedene durcheinander. Das Tückische an Crack wie auch an Krokodil: Die Wirkung, hauptsächlich Euphorie und Glücksgefühl, ist stark, aber nur relativ kurz, der emotionale Absturz umso größer. Das zwingt den Abhängigen zu schnellem Nachlegen. Viele Konsumenten kommen nicht mehr zur Ruhe und brechen irgendwann völlig erschöpft und ausgemergelt zusammen.
Quelle: ntv.de