36 Jahre Haft für "Sewol"-KapitänUrteil entsetzt Angehörige der Opfer

Die Staatsanwaltschaft wollte für den Kapitän der südkoreanischen Unglücksfähre "Sewol" den Tod, auch der Verantwortliche selbst sagt: Ich habe das verdient. Doch das Gericht sieht es anders - und erntet den Zorn der Angehörigen von mehr als 300 Opfern.
Sie gehörten zu den ersten, die das sinkende Schiff verließen und überließen damit die meisten Passagiere ihrem Schicksal: Rund sieben Monate nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" und dem Verlust von mehr als 300 Menschenleben hat ein Gericht in Gwanju Kapitän Lee Jun Seok und drei weitere führende Besatzungsmitglieder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der 69-jährige Lee muss für 36 Jahre in Haft - zum Entsetzen der Hinterbliebenen wurde er aber vom Vorwurf des vorsätzlichen Totschlags freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft hatte für Lee die Todesstrafe und für die drei leitenden Besatzungsmitglieder lebenslänglich gefordert. Die im Gerichtssaal anwesenden Hinterbliebenen reagierten entsetzt auf den Richterspruch. "Wo bleibt die Gerechtigkeit?", schrie eine Frau. "Das ist nicht fair. Was ist mit dem Leben unserer Kinder? Die Angeklagten verdienen mehr als den Tod", schrie eine andere.
In einer vor dem Gerichtsgebäude verlesenen gemeinsamen Erklärung drängten die Hinterbliebenen der Opfer weiter auf eine Verurteilung des Kapitäns wegen Mordes. "Es ist an der Zeit für eine entschiedene Warnung an alle, die Geld vor Sicherheit stellen", hieß es in der Erklärung weiter - als die "Sewol" am 16. April dieses Jahres mit 476 Menschen an Bord sank, war sie völlig überladen gewesen. Später stellte sich heraus, dass sie auch ohne Genehmigung umgebaut worden war.
"Ich war in Panik"
Kapitän Lee hatte während des Prozesses schwere Fehler eingeräumt und gesagt, er habe die Todesstrafe verdient. Er bestritt allerdings, die Passagiere bewusst ihrem tödlichen Schicksal überlassen zu haben. "Ich war in Panik", versuchte Lee zu erklären, warum er selbst das sinkende Schiff verlassen hatte, während viele Passagiere - darunter auch Kinder - auf Geheiß der Crew in ihren Kabinen geblieben waren.
Im Vorfeld des Prozesses hatten Beobachter Zweifel geäußert, ob die Besatzung der "Sewol" überhaupt einen fairen Prozess bekommen würde. Die Medien hatten sie schon früh als Schuldige ausgemacht, und selbst Staatschefin Park Geun Hye sagte öffentlich, das Handeln der Angeklagten sei "gleichbedeutend mit Mord".
Die Richter in Gwangju betonten bei der Urteilsverlesung auch die Rolle des Fährbetreibers Chonghaejin Marine: "Das Unternehmen hatte systematische Schwachstellen, und die Angeklagten sollten nicht allein für das Unglück verantwortlich gemacht werden", erklärten sie. Das Gericht verwies unter anderem auf die ungenügende Ausbildung der Besatzung. In einem parallelen Prozess drohen dem Firmenchef 15 Jahre Haft.
Unterdessen gab Marineminister Lee Ju Young bekannt, dass die Suche nach den letzten neun Vermissten eingestellt worden sei. Die unsichere Lage rund um das Wrack mache weitere Sucheinsätze unmöglich. Ein Hinterbliebenvertreter dankte den Bergungstauchern unter Tränen für die vergebliche Suche - die Taucher seien "Helden".