Panorama

"Das ist eine Epidemie" Zahl der EHEC-Fälle steigt weiter

Auch in Deutschland werden Tomaten vernichtet - die Nachfrage ist eingebrochen.

Auch in Deutschland werden Tomaten vernichtet - die Nachfrage ist eingebrochen.

(Foto: dapd)

Das Robert-Koch-Institut zählt sowohl mehr EHEC-Erkrankungen als auch mehr HUS-Fälle. Ein Experte des Instituts sagt, man könne "ganz sicher" von einer Epidemie sprechen. Woher der Erreger kommt, ist noch unklar. Mittlerweile gibt es Verdachtsfälle in den USA. Das Epizentrum liegt allerdings in Norddeutschland.

Die Zahl der EHEC-Kranken steigt ungebremst. Innerhalb von zwei Tagen sei die Zahl der an der Durchfallerkrankung leidenden Patienten um 199 auf über 1700 gestiegen, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit. Bei 50 der Neufälle gab es demnach die lebensgefährliche Komplikation HUS. Insgesamt sind damit 520 Fälle des hämolytisch-urämischen Syndroms bekannt. Am Mittwoch waren es erst 470. In Mecklenburg-Vorpommern wurde das bundesweit 18. HUS-Todesopfer registriert.

Auszug des genetischen Codes des EHEC-Erregers O104.

Auszug des genetischen Codes des EHEC-Erregers O104.

(Foto: dpa)

"Wir können in diesem Fall ganz sicher von einer Epidemie sprechen", sagte der RKI-Experte Klaus Stark im ZDF. "Es ist ein absolut unerwartetes Auftreten einer großen Zahl an Erkrankungen, die wir so in Deutschland bisher noch nie gesehen haben."

Ein Lichtblick, vielleicht

Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie gibt es aber einen Lichtblick. "Die Lage ist so, dass sie scheinbar sich etwas beruhigt, was die Zahl der Neuinfektionen angeht", sagte der Präsident der Gesellschaft, Prof. Reinhard Brunkhorst. Er hoffe, dass sich der Trend bestätige und es tatsächlich weniger Neuinfektionen gibt. Die Mediziner wollen in einem bundesweiten Register die Behandlungsergebnisse von schwer erkrankten EHEC-Patienten zusammenstellen.

Sicher sind sich die Experten, dass der EHEC-Erreger über Nahrungsmittel aufgenommen wird. Deswegen gilt nach wie vor die Empfehlung, auf den Konsum von rohen Salaten, Gurken oder Tomaten aus Norddeutschland zu verzichten. Unklar ist immer noch, wieso sich die Fälle auf Norddeutschland konzentrieren und warum viel mehr Frauen als Männer betroffen sind.

In Hamburg ermittelt die Polizei gegen zwei Großhändler und ein Restaurant nach dem Fund von EHEC-Erregern auf vier Gurken. Der Keim, der auf den Gurken nachgewiesen wurde, ist nicht für den derzeitigen Krankheitsausbruch verantwortlich - nach Darstellung der Hamburger Gesundheitsbehörde stellt er aber dennoch eine Gesundheitsgefahr dar. "Wir ermitteln wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch", sagte eine Polizeisprecherin.

"Wie bei einem Schneeballsystem"

Lothar Beutin

Lothar Beutin

(Foto: dpa)

Woher der EHEC-Erreger kommt, ist noch immer nicht geklärt, sein Ursprung wird aber in Deutschland vermutet. Dies ergebe sich nach den Fallzahlen und der Herkunft der Fälle, sagte der Mikrobiologe Lothar Beutin vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Das Epizentrum sei der Hamburger Raum. "Entweder ist die Quelle noch nicht versiegt, oder es ist eine Mensch-zu-Mensch-Ansteckung wie bei einem Schneeballsystem im Gange", sagte Beutin.

Erstmals gibt es einen EHEC-Verdacht in den USA. Dort haben drei Erwachsene nach ihrer Rückkehr aus Deutschland HUS-Anzeichen entwickelt. Allerdings ist nach Angaben der Behörden noch nicht sicher, ob sie sich am deutschen EHEC-Erreger ansteckten. Auch die US-Militärstützpunkte in Deutschland seien auf die Gefahren hingewiesen worden.

Putin will "keine Russen vergiften"

Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin pochte darauf, die EU müsse die Quelle der Infektionen unschädlich machen. Vorher würden keine Gemüse-Importe erlaubt. Er werde keine Russen vergiften, nur um den Regeln der Welthandelsorganisation WTO nachzukommen. Zuvor hatte die EU Russland aufgefordert, das Einfuhrverbot aufzuheben. Es sei in keiner Weise gerechtfertigt und verstoße gegen die WTO-Regeln.

Die Verunsicherung der Konsumenten hat auch Auswirkungen auf den Einzelhandel. "Die Unternehmen spüren die Zurückhaltung", sagte ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE). Entgegen ursprünglicher Warnungen hatte sich herausgestellt, dass Salatgurken aus Spanien nicht die Ursache für die Infektionen waren.

Spanische Bauern leiden unter Fehler

Nach Warnungen der Hamburger Behörden vor spanischen Gurken ist der Markt für spanisches Gemüse eingebrochen. "Wir verkaufen nichts mehr. Wir müssen die Felder mit Gurken und Zucchini abernten und das Gemüse dann vernichten", berichtet Landwirt Miguel Cazoria. Er hat die Gurken angebaut, die in Hamburg zunächst als Quelle der Infektionskrankheit EHEC identifiziert wurden, ehe die Gesundheitsbehörde einen Rückzieher machen musste.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kam in einem Telefongespräch mit dem spanischen Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero überein, sich auf europäischer Ebene um Hilfen für die betroffenen europäischen Landwirte zu bemühen.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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