Polnischer Aufstand gegen Acta Anonymous hockt in Warschau
27.01.2012, 15:00 Uhr
Die Abgeordneten der Palikot-Bewegung gelten als bunte Vögel des Parlaments.
(Foto: AP)
Da staunt so mancher in Europa. Eine der größten Protestwellen seit Langem schwappt über Polen. Auf den Straßen und bei Facebook demonstrieren Zehntausende, Hacker-Gruppen wie "Polish Underground" attackieren massiv die Regierung und legen deren Seiten lahm. Und selbst im Parlament solidarisieren sich Abgeordnete mit Anonymous.
Es war ein bemerkenswerter Anblick. Das Symbol der Hackergruppe Anonymous, die schwarz-weiße Maske jenes lächendeln Herrn mit dem Bärtchen, grinste am Donnerstag zigfach von den Abgeordnetenbänken im polnischen Parlament. Hinter den Masken saßen die Delegierten der linksliberalen Bewegung Palikot, der drittgrößten Fraktion. Grund für ihre Maskerade: ihre Wut über das Acta-Abkommen, das Polen am Donnerstag ebenso wie 21 andere europäische Staaten unterzeichnet hat.
In ihrer Ablehnung des umstrittenen Anti-Piraterie-Pakts sind die Palikot-Abgeordneten in Polen nicht allein. Ein Sturm des Protests tobt gerade durch das Land, so heftig wie in keinem anderen Land der EU. In ihrem Kampf gegen Acta sind sich die Oppositionsparteien selten einig. Jaroslaw Kaczynski, der Chef der rechtskonservativen PIS, forderte ein Referendum über das Abkommen. Der ehemalige Ministerpräsident Leszek Miller von der linken SLD rief dazu auf, im Parlament gegen den Pakt zu stimmen. In großen Städten wie Warschau, Krakau, Posen und Breslau gingen Tausende auf die Straße.
Cyber-Angriffe auf die Regierung
Schon im Vorfeld der Unterzeichnung sorgte das Acta-Abkommen in Polen für einen regelrechten Cyber-Krieg. Seit dem Wochenende legten Hacker zahlreiche Seiten der Regierung, des Parlaments und des Präsidenten lahm. Auf der Seite des Premierministers warnte eine und Uniform, die trotz ihrer wehenden Haare eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem General des , Wojciech Jaruzelski, hatte, in dessen Duktus vor einer "nationalen Katastrophe". Der Premierminister Donald Tusk wird als "Kim Dzong Tusk" verhöhnt. Hinter den massiven Angriffen steht der polnische Ableger von Anonymous sowie der Gruppe "Polish Underground".
Auf Facebook bekundeten inzwischen hunderttausende polnische Nutzer ihr "Nein zu Acta". "Etwa eine halbe Million hat ihre Ablehnung von Acta namentlich ausgedrückt", meint der Soziologe Dominik Batorski. Dies sei die größte derartige Protestbewegung, die das Land bisher erlebt habe, "ein gutes Zeichen für die Zivilgesellschaft in Polen".
Auch einige polnische Webseiten schlossen sich dem Protest an. Die Stiftung Panoptykon, die sich unter anderem für besseren Datenschutz einsetzt, protestierte mit Handschellen auf ihrer Seite gegen das Abkommen. Andere Webseiten trugen schwarz, andere wollten wenigstens stundenweise offline gehen.
Trotz des Proteststurms gab sich die Regierung trotzig. "Wir lassen uns nicht erpressen", sagte Premier Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform. Der für Internetangelegenheiten zuständige Minister Michal Boni gab sich alle Mühe, das Gesetz zu rechtfertigen. Polen habe sich seit 2008 an den Beratungen über das Internetgesetz beteiligt und könne nun nicht einfach aussteigen, sagte er vor wenigen Tagen. Um dann doch zurückzurudern. Das Abkommen werde keinen Einfluss auf das polnische Recht haben. Schließlich werde es erst nach der Ratifizierung durch das Europäische Parlament und durch den polnischen Sejm in Kraft treten.
Hoffen auf Straßburg
Auf Straßburg hoffen nun jedenfalls die hunderttausenden polnischen Acta-Gegner. "Wenn das Europäische Parlament in Straßburg dem Abkommen nicht zustimmt, kippt der ganze Vertrag", sagte die Vorsitzende von Panoptykon, Katarzyna Szymielewicz: "Das wäre die Rettung."
Um den Druck auf das EU-Parlament zu erhöhen, schlugen Hacker am Donnerstag auch in Straßburg zu. Für mehrere Stunden legten sie die Homepage des Parlaments mit einem Bombardement von Anfragen lahm. Erst nach Stunden war das Parlament wieder erreichbar.
Quelle: ntv.de