Alternative zu Nahost-Gesprächen Araber wollen Iran einbinden
27.03.2010, 16:03 Uhr
Gaddafi ist Gastgeber in Sirte.
(Foto: REUTERS)
Die arabischen Staaten sind von der internationalen Gemeinschaft enttäuscht und setzen bei der Lösung von regionalen Konflikten deshalb künftig auf die Zusammenarbeit mit Nachbarn wie der Türkei und dem Iran. Israel wollen sie dagegen noch stärker isolieren als bisher.
Mit einem Appell zu stärkeren Bemühungen um einen Frieden im Nahen Osten hat sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an die Arabische Liga gewandt. Zum Auftakt des Gipfeltreffens im libyschen Sirte forderte er die arabischen Staaten auf, die Anstrengungen der USA "zu indirekten Gesprächen und direkten Verhandlungen" zwischen Israelis und Palästinensern zu unterstützen. Es gebe keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung mit der gemeinsamen Hauptstadt Jerusalem. "Gemeinsames Ziel" der nächsten zwei Jahre sei es, sämtliche Fragen zur Schaffung eines Palästinenserstaates zu klären.
Vor den Gipfelteilnehmern verurteilte Ban erneut die israelische Siedlungstätigkeit im arabischen Osten Jerusalems. "Die Siedlungsaktivitäten sind illegal und müssen aufhören", forderte der UN-Generalsekretär.
Konfrontation gegen Israel
Allerdings hatte der Chef der Arabischen Liga hat die Mitgliedsstaaten aufgefordert, eine Alternative zu den jetzigen Nahost-Friedengesprächen zu entwickeln. "Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Friedensprozess komplett scheitern könnte", sagte Generalsekretär Amr Mussa in seiner Eröffnungsrede. "Wir müssen Alternativpläne erstellen, denn die Situation hat einen Wendepunkt erreicht." Bislang habe die Liga den Einsatz von Vermittlern und einen Friedensprozess mit offenem Ausgang akzeptiert. "Aber dadurch ging Zeit verloren", sagte Mussa in Sirte. "Wir haben nichts erreicht, und das hat es Israel erlaubt, 20 Jahre lang seine Politik zu verfolgen."
"Wir wollen einen Dialog mit den Nachbarstaaten, in dem die Türkei eine führende Rolle spielen kann", sagte Mussa. Nach Ansicht arabischer Beobachter könnte die Strategie der USA, die den Iran isolieren und mit weiteren Sanktionen zu Zugeständnissen im Atomstreit bewegen wollen, durch diese Neuausrichtung der arabischen Politik behindert werden. Gleichzeitig sinken auch die Chancen auf einen Dialog zwischen Israel und den Arabern.
An dem zweitägigen Gipfeltreffen, dessen Gastgeber der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi ist, nimmt auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan teil. Der türkische Regierungschef sagte, die Staaten der Region sollten ihre Interessen gemeinsam verteidigen. Die Politik der israelischen Regierung bezeichnete er als "verrückt".
Selbstkritik gefordert
Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani, forderte die arabischen Staaten zur Selbstkritik auf. Er sagte: "Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den arabischen Staaten haben in den vergangenen Jahren eine erfolgreiche gemeinsame Politik verhindert." Dies müsse sich ändern. Es dürfe nicht sein, dass die Araber nicht einmal in der Lage seien, die Blockade des palästinensischen Gazastreifens zu beenden.
Der Gazastreifen wird seit der Machtübernahme durch die radikale Palästinenserbewegung Hamas im Sommer 2007 von Israel abgeriegelt. Auch Ägypten öffnet den Grenzübergang Rafah, der den Gazastreifen mit der ägyptischen Sinai-Halbinsel verbindet, nur gelegentlich, um Kranke oder Palästinenser, die im Ausland ansässig sind, ein- und ausreisen zu lassen.
Gaddafi gibt sich zahm
Der sonst für seine aufrührerischen Reden berühmte Gastgeber des Gipfels, Libyens Oberst Muammar al-Gaddafi, hielt sich diesmal zurück. Gaddafi, der in der Liga nun für ein Jahr den Vorsitz hat, sagte, es sei bedauerlich, "dass man in dieser Position keine echten Machtbefugnisse hat".
Acht Staatschefs blieben dem Gipfeltreffen fern, zum Teil wegen alter Konflikte mit Gaddafi. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak, der sich nach einer Gallenblasenoperation noch schonen muss, hatte Ministerpräsident Ahmed Nazif nach Sirte geschickt.
"Lieber Freund" Berlusconi als Ehrengast
Außer Erdogan ist auch der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi Gast beim Gipfel. Der Visum-Streit zwischen Libyen und der Europäischen Union hat dem guten Verhältnis zwischen Gaddafi und Berlusconi offensichtlich nicht geschadet. Berlusconi wurde von Gaddafi in dessen Heimatstadt Sirte als Ehrengast persönlich empfangen. Gaddafi bezeichnete Berlusconi in seiner Eröffnungsrede als "lieben Freund".
Zur Eröffnung des Gipfeltreffens erschien auch der spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos. Spanische Medien hatten zuvor berichtet, Moratinos wolle in Libyen versuchen, die Visa-Affäre zu einem guten Ende zu führen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP