Machtkampf in der Türkei Armeeführung tritt zurück
29.07.2011, 19:06 Uhr
Kapitulation oder Zuspitzung des Machtkampfs? General Kosaner tritt ab.
(Foto: dpa)
Die türkische Armeespitze tritt überraschend zurück. Hintergrund ist offenbar der andauernde Streit mit der Regierung über die Verfolgung von Offizieren und Pensionszahlungen an Armeeangehörige. Ministerpräsident Erdogan scheint den Machtkampf zu gewinnen.
Der türkische Generalstabschef Isik Kosaner hat mitsamt der Armeeführung überraschend seinen Rücktritt erklärt. Auch die drei Kommandeure der Landstreitkräfte, der Marine und der Luftwaffe hätten ihre Ämter niedergelegt, berichteten türkische Fernsehsender. Zuvor hatte es ein Treffen Kosaners mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül gegeben.
Die einst politisch einflussreiche Armeeführung hat in den vergangenen Jahren erheblich an Macht verloren. Sie liegt mit der Regierung Erdogan zudem wegen der juristischen Verfolgung von aktiven und pensionierten Offizieren über Kreuz, denen Staatsanwälte eine Verschwörung gegen Erdogans islamisch-konservative Regierung vorwerfen. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Festnahmen.
Erdogan will Einfluss brechen
Der Rücktritt der gesamten Militärführung ist beispiellos in der Türkei, wo das Militär seit 1960 vier Mal gegen die Regierung putschte. Seit dem Amtsantritt der religiös-konservativen AK-Partei im Jahr 2002 ist die Stellung der Armee aber erheblich geschwächt worden. Zudem brach mehrfach Streit um Personalfragen aus. Früher konnte die Armee, die sich in der Tradition von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk als Verfechter der Trennung von Staat und Religion sieht, in aller Regel ihre Personalvorstellungen durchsetzen. Die islamisch-konservative AKP von Ministerpräsident Erdogan ist dagegen bemüht, den Einfluss der Armee auf die Politik des Landes zurückzudrängen.
Derzeit befinden sich 42 Generäle unter dem Verdacht der Verwicklung in Putschpläne gegen die religiös-konservative Regierung Erdogans in Haft. Während die Armee möchte, dass diese Offiziere bis zum Abschluss ihrer Verfahren befördert werden können, wünscht die Regierung ihre Pensionierung.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP