Politik

Westerwelle in der Türkei "Beitritt ein offener Prozess"

Die Atmosphäre ist gut: Westerwelle und Davutoglu bei einer Bootstour auf dem Bosporus.

Die Atmosphäre ist gut: Westerwelle und Davutoglu bei einer Bootstour auf dem Bosporus.

(Foto: REUTERS)

Sein erster Türkei-Besuch sorgte daheim für einen Eklat. Dieses Mal ist Außenminister Westerwelle vorsichtiger. "Wir haben ein großes Interesse daran, dass sich ein strategisch so wichtiger Partner wie die Türkei in Richtung Europa orientiert", sagt Westerwelle in Istanbul. Gleichwohl sei dies kein automatischer Prozess.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wünscht sich die Türkei fest verankert in Europa - jedoch nicht zwangsläufig als Mitglied der Europäischen Union. "Wir haben ein großes Interesse daran, dass sich ein strategisch so wichtiger Partner wie die Türkei in Richtung Europa orientiert", sagte Westerwelle bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu in Istanbul. Deutschland habe "ein besonderes Interesse" an einer "Anbindung des Landes an die EU". Gleichwohl sei dies ein offener und kein automatischer Prozess, sagte Westerwelle mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen des Landes mit der EU.

Im Hintergrund die Ortaköy-Moschee aus dem 19. Jahrhundert.

Im Hintergrund die Ortaköy-Moschee aus dem 19. Jahrhundert.

(Foto: REUTERS)

Die EU verhandelt seit 2005 mit Ankara über einen Beitritt, die Gespräche gehen aber nur schleppend voran. Bislang wurden erst 13 der insgesamt 35 Beitrittskapitel geöffnet. Hauptgrund für die Verzögerungen ist der ungelöste Streit mit der griechischen Republik Zypern. Deutschland und Frankreich sind die beiden Hauptgegner einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Sie plädieren stattdessen für eine "privilegierte Partnerschaft". Westerwelle sprach sich in Istanbul dafür aus, die Fortschritte der Türkei bei den Beitrittskriterien objektiv zu untersuchen.

Ein EU-Beitritt der Türkei wird etwa von Großbritannien begrüßt und gefordert. Premierminister David Cameron, der zu Wochenbeginn in Ankara war, hatte sich "verärgert" über die schleppenden Verhandlungen gezeigt und indirekt auch Berlin und Paris kritisiert. Bei seinem ersten Besuch als Bundesaußenminister in der Türkei hatte Westerwelle versichert, innerhalb der schwarz-gelben Koalition gebe es keine Festlegung für oder gegen einen EU-Beitritt der Türkei. Dies hatte beim Koalitionspartner Verärgerung ausgelöst.

Die Frage eines möglichen EU-Beitritts stand diesmal nicht im Mittelpunkt der Gespräche. Stattdessen ging es um bilaterale Fragen wie die für den kommenden Herbst geplante Eröffnung einer deutsch-türkischen Universität in Istanbul.

Lob für Iran-Initiative

Westerwelle lobte die türkisch-brasilianische Initiative, um den Iran zu einem Dialog über sein Atomprogramm zu bewegen. Er gehe davon aus, dass der Iran im kommenden September mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton über alle offenen Fragen sprechen werde, und nicht nur über den Austausch von schwach angereichertem Uran gegen Brennstäbe. "Wir versuchen, die nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern", bekräftigte er. EU und USA haben erst vor wenigen Tagen den Druck auf den Iran mit scharfen Sanktionen erhöht.

Davutoglu und Westerwelle sprachen auch über die Untersuchung der Vorfälle auf dem Gaza-Hilfsschiff "Mavi Marmara". Davutoglu sagte, er erwarte in dieser Angelegenheit von der internationalen Staatengemeinschaft und besonders von der Bundesrepublik "Solidarität". Israelische Soldaten hatten das Schiff Ende Mai angegriffen. Sie töteten acht Türken und einen US-Bürger türkischer Abstammung. Der Vorfall löste internationale Proteste aus.

Dass die Bundesregierung kurz nach dem Zwischenfall vor der Küste des Gazastreifens die von Türken in Deutschland betriebene "Internationale Humanitäre Hilfsorganisation" (IHH) verboten habe, werde von der Türkei akzeptiert. Die IHH in Deutschland trage zwar den gleichen Namen, sie sei aber nicht mit der gleichnamigen Organisation in der Türkei gleichzusetzen, betonte Davutoglu. Lediglich das Timing des Verbots kurz nach dem Zwischenfall vor Gaza sei schlecht gewesen.

Das Bundesinnenministerium hatte den Verein vor zwei Wochen verboten, weil er in den vergangenen drei Jahren 6,6 Millionen Euro an sechs Sozialvereine der radikal-islamischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen überwiesen hatte. Die türkische Regierung ist im Gegensatz zur Bundesregierung der Auffassung, dass man die Hamas bei der Suche nach einer Lösung im Nahost-Konflikt nicht ganz außen vor lassen kann.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen