Politik

Zehn Anrufe bei Norwegens Polizei Breivik wollte überleben

(Foto: dapd)

Der norwegische Attentäter Breivik hat während des Massakers auf der Ferieninsel Utøya zehnmal bei der Polizei angerufen, um seine Kapitulation anzukündigen. Dies berichtet sein Anwalt. Breivik habe damit seine Erschießung durch die Beamten verhindern wollen. Derweil beginnt eine Kommission mit der Auswertung der Anschläge von Oslo und Utøya.

Breivik Anwalt Lippestad.

Breivik Anwalt Lippestad.

(Foto: REUTERS)

Der Attentäter von Norwegen, Anders Behring Breivik, hat nach eigenen Angaben zehnmal bei der Polizei angerufen, als er auf der Ferieninsel Utøya 69 Teilnehmer eines Jugendlagers erschoss. Breviks Anwalt Geir Lippestad berichtete der Zeitung "Aftenposten" von entsprechenden Aussagen seines Mandanten. Breivik hatte demnach vor seiner Verhaftung bei der Polizei angerufen, um sich zu ergeben. Er sei aber nur zweimal durchgekommen.

Breivik wollte laut Lippestad eine Bestätigung, dass die Polizei seine Kapitulation annehmen und ihn nicht erschießen würde. Der 32-Jährige habe "darüber nachgedacht, Selbstmord zu begehen oder mit seiner "Operation" weiterzumachen, und entschied sich, bis zum Eintreffen der Polizei fortzufahren", berichtete Lippestad.

Während er auf einen Rückruf wartete, habe er nicht geschossen. Diese Aussage wird möglicherweise von Angaben von Überlebenden unterstützt. Sie hatten berichtet, dass Breivik für kurze Zeit das Feuer einstellte. Ein Polizeisprecher sagte, es gebe eine Aufzeichnung von einem Telefonat mit Breivik. Er konnte aber nicht bestätigen, dass es weitere Anrufe gab.

Polizei sucht nach Kamera

Derzeit geht die Polizei Hinweisen nach, wonach Breivik das Massaker auf Utöya gefilmt haben könnte, und sucht nach der fraglichen Kamera. Der Norweger habe in Verhören von der Kamera gesprochen, noch sei sie aber nicht gefunden worden, so Polizeistaatsanwalt Paal-Fredrik Hjort Kraby. Zudem hat die Polizei nach eigenen Angaben noch keinen Beweis, dass die Tat tatsächlich gefilmt wurde. Jüngst hatten mehrere Medien Überlebende des Angriffs mit den Worten zitiert, Breivik habe die Tat womöglich aufgenommen.

Auch in dem 1500 Seiten langen Manifest, das er vor seinen Angriffen ins Internet gestellt hatte, gibt es einen Hinweis auf eine Digitalkamera vom Typ AEE P80, um "den Einsatz zu filmen". Dort kündigte der 32-Jährige zudem an, den Speicherchip mit dem Film an verschiedene Redaktionen zu schicken. Bislang erhielt aber kein Medium einen solchen Film.

Kommission nimmt Arbeit auf

Die Juristin Gjoerv sitzt der Auswertungskommission vor.

Die Juristin Gjoerv sitzt der Auswertungskommission vor.

(Foto: REUTERS)

Unterdessen hat eine von der Regierung eingesetzte Experten-Kommission zur Bewertung von Breiviks Anschlägen und ihrer Folgen die Arbeit aufgenommen. Regierungschef Jens Stoltenberg erklärte, für die Betroffenen stellten sich zahlreiche Fragen, die beantwortet werden müssten. "Für sie ist es entscheidend, eine Antwort zu bekommen auf die Fragen: Was ist passiert? Und warum konnte das passieren?" so Stoltenberg.

Für sein Land sei es wichtig, diese Fragen zu klären: "Wir müssen die Lehren aus diesen terroristischen Angriffen ziehen. Das Ziel ist es, dass sich das nicht wiederholen kann, das Ziel ist mehr Sicherheit." Es müsse ein Bild entstehen von allen Dingen, die um die Ereignisse des 22. Juli herum gut funktionierten, "aber auch von dem, was nicht funktioniert hat, ohne Ausflüchte".

Das zehnköpfige Gremium – von der Regierung nicht Untersuchungs-, sondern Auswertungskommission genannt - wird von der Juristin Alexandra Bech Gjoerv geleitet. Sie soll ihre Arbeit am 10. August kommenden Jahres beenden.

Überlebender musste in Haft

Die Polizei steht in der Kritik, weil nach dem ersten Hilferuf mehr als eine Stunde verging, bis ein Einsatzteam auf der rund 40 Kilometer nördlich von Oslo gelegenen Insel Utöya eintraf. Auch kam in den Medien die Frage auf, weshalb Breivik nicht vorab als potenzieller Attentäter von den Ermittlungsbehörden identifiziert werden konnte.

Nowegens Polizei (hier Oberinspektor John Roger Lund) musste bereits Fehler einräumen.

Nowegens Polizei (hier Oberinspektor John Roger Lund) musste bereits Fehler einräumen.

(Foto: REUTERS)

Die Boulevardzeitung "Verdens Gang" berichtete über einen Überlebenden von Utöya, der anschließend 17 Stunden in Gewahrsam verbringen musste, weil ihn die Polizei für einen Komplizen des Schützen hielt. Er habe nur wenige Meter von dem Attentäter entfernt die Nacht zum 23. Juli in einer Zelle verbracht, während seine Familie ihn bereits tot geglaubt habe, zitierte "VG" Anzor Djoukaev, der aus Tschetschenien stammt. Die Polizei erklärte zur Verteidigung, der 17-Jährige habe sich "unnormal verhalten" und nicht eindeutig ausweisen können.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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