Politik

Hilferuf am Psychiatrie-Fenster Chinesischer Dissident in Not

Zwar ist in China das Recht auf freie Meinungsäußerung verfassungsmäßig garantiert. Doch wenn diese Meinung der Partei- und Staatsführung nicht gefällt, ist dieses Recht einfach nichts mehr wert. Das belegt auch der Fall Li Jinping, von dem ein dramatisches Foto auftaucht.

Li Jinping am Fenster der psychiatrischen Klinik in Peking.

Li Jinping am Fenster der psychiatrischen Klinik in Peking.

(Foto: dpa)

Aus China gibt es ein Lebenszeichen von dem Dissidenten Li Jinping. Li steht mit einem handgeschriebenen Schild am Fenster des Krankenhauses Nummer 3 Chaoyang, einer psychiatrischen Klinik in Peking.

Mit seiner Aktion bittet Li um Hilfe. Auf dem Schild steht in chinesischen Schriftzeichen "Kopfweh und innerer Schmerz. Kommt jede Woche, um mich zu sehen." Nach Angaben verschiedener Menschenrechtsgruppen wird Li seit fast acht Monaten in der Klinik festgehalten. Jeder Kontakt zu seiner Familie wird unterbunden.

Damit rückt eines der weniger bekannten Dissidentenschicksale in China wieder in den Fokus. Li arbeitete zunächst als normaler Polizeibeamter in Peking. Später wurde er in das Untersuchungsgefängnis im Chaoyang-Distrikt versetzt. Dort lernte er um 1996 auch den Demokratie-Verfechter Li Hai kennen und hatte Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Nachdem Li im Jahr 2001 seinen Posten bei der Polizei aufgegeben hatte, verstärkte er seine Kontakte zu den Demokratie-Aktivisten in Peking.

Wertschätzung für Zhao Ziyang

Am 6. Januar 2006 wollte er in seiner Wohnung in Peking den ersten Todestag des ehemaligen chinesischen Reformers Zhao Ziyang mit einer Gedenkfeier begehen, um dessen Verdienste zu ehren. Zhao, der als Ministerpräsident einst die Wende zur Marktliberalisierung in der kommunistischen Volksrepublik einleitete, war am 17. Januar 2005 85-jährig gestorben. Li hatte für Zhao während dessen Zeit unter Hausarrest gearbeitet. Der Partei- und Regierungsapparat Chinas hatte Zhao 15 Jahre lang wegen seiner Kritik an der blutigen Niederschlagung der Studenten-Proteste auf dem Tiananmen-Platz 1989 politisch totgeschwiegen.

Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass Hunderttausende Dissidenten in solchen Einrichtungen festgehalten werden.

Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass Hunderttausende Dissidenten in solchen Einrichtungen festgehalten werden.

(Foto: dpa)

Nach Lis Meinung hatte sich Zhao in seiner Funktion als Premierminister und Generalsekretär der chinesischen KP jedoch erhebliche Verdienste um das chinesische Volk erworben. Laut seiner Familie habe er es als eine Verpflichtung angesehen, den ehemaligen Staatsführer, der 1987 seiner Ämter enthoben worden war, nach seinem Tod mit einem Staatsbegräbnis zu ehren. Dies hatte die Partei- und Staatsführung verweigert, viele Bürger wurden sogar an der Teilnahme an der Trauerfeier gehindert. Deshalb plante Li die Gedenkveranstaltung.

Koordiniertes Vorgehen

Allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt bereits Lis Telefon überwacht, vielleicht auch das seines Mitorganisators Liu Jingsheng. Daraufhin gingen staatliche Behörden gegen beide Männer vor. Lis Wohnung wurde durchsucht und demoliert, er selbst wurde immer wieder für mehrere Tage festgenommen. Über keine dieser Festnahmen erhielt er von den Behörden jemals schriftliche Unterlagen, die als Beweis hätten gelten können. Während der Olympischen Spiele 2008 stand er unter Hausarrest. Liu Jingsheng wurde mit Einschüchterungsversuchen unter Druck gesetzt und von der Abteilung für Nationale Sicherheit überwacht.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagt in ihrem jüngsten Jahresbericht, dass China zunehmend rechtswidrige Formen der Inhaftierung praktiziere. Dazu gehörten auch das Wegschließen in psychiatrischen Kliniken und "Zentren zur 'Gehirnwäsche'". Hunderttausende seien nach wie vor in entsprechenden Einrichtungen inhaftiert. Immer wieder hatte Lis Familie erfolglos versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Zeitweise war unklar, wohin Li Jinping überhaupt gebracht worden war. Wenigstens diese Frage ist nun beantwortet.

Quelle: ntv.de

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